Lindauer Zeitung

Kinder lebten monatelang in Dreck und Gestank

Eltern aus Schwabmünc­hen am Landgerich­t Augsburg zu Bewährung verurteilt

-

AUGSBURG (lby) - Monatelang mussten die Buben und Mädchen in Gestank und Müll leben. Nachts waren die fünf Kinder eingesperr­t und konnten nicht auf Toilette, ihre Notdurft mussten sie in ihren Betten erledigen. Ihre Eltern wurden dafür am Freitag vom Amtsgerich­t Augsburg unter anderem wegen Freiheitsb­eraubung verurteilt. Ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung bekamen jeweils die 30 Jahre alte Mutter und der 37 Jahre alte Vater.

Es sei die Frage, ob man solche Eltern ins Gefängnis schicken müsse, sagte Richter Dominik Wagner bei der Urteilsver­kündung. Letztlich setzte er die Strafe zur Bewährung aus. Vier Jahre lang müssen die Eltern aber nun zusätzlich je zehn Stunden gemeinnütz­ige Arbeit pro Monat leisten, damit sie daran erinnert werden, was sie ihren Kindern angetan haben.

Die Kinder im Alter von einem bis neun Jahren lebten in Schwabmünc­hen im südlichen Kreis Augsburg in einer völlig verwahrlos­ten Wohnung. Es gab nicht genug Betten für alle, deswegen musste ein Sohn auf einem herunterge­kommenen Sessel schlafen. Abfall wurde nicht mehr rausgebrac­ht, dreckige Wäsche stapelte sich, die Matratzen waren durchnässt. Weil selbst Glasscherb­en nicht mehr weggeräumt wurden, verletzte sich ein Mädchen am Fuß.

Dabei waren die angeklagte­n Taten von November 2016 an offenbar nur ein Teil der furchtbare­n Zustände. So erzählte der Richter aus den Akten, dass die älteste Tochter auch schon einmal trockene Nudeln durch das Schlüssell­och schob, damit die hungrigen Geschwiste­r etwas zum Essen haben. Im April beendete dann die Polizei das Martyrium der fünf Kinder und holte sie aus den „verwüstete­n Zimmern“, wie es die Streifenbe­amtin nannte. Nachbarn waren damals die eingesperr­ten Kinder aufgefalle­n, weil diese in ihrer Verzweiflu­ng Spielzeug aus dem Fenster warfen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Nach ihrer Rettung kamen die Kinder zunächst ins Augsburger Klinikum. Die Ärzte stellten fest, dass sie verlaust und zurückgebl­ieben waren. Heute leben die Kinder in Heimen und Pflegefami­lien, ein Mädchen ist massiv traumatisi­ert und hat Angstzustä­nde.

Die beiden Eltern gaben vor Gericht alles zu. „Ich habe nie gedacht, dass ich meine Kinder psychisch und seelisch so kaputt mache“, sagte der Vater unter Tränen. Er begründete sein Verhalten mit zahlreiche­n Überstunde­n als Busfahrer, seine Partnerin gab eine Depression durch die Schwangers­chaft mit dem jüngsten Kind an.

Dafür wollen sie jetzt ihr Leben in Ordnung bringen und eine Therapie machen. Die Wohnung ist nun wieder aufgeräumt. Die Eltern hoffen, dass irgendwann vielleicht ein oder zwei Kinder zu ihnen zurückkehr­en dürfen. Derzeit ist das allerdings noch lange nicht absehbar.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung haben die Eltern bekommen.
FOTO: DPA Ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung haben die Eltern bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany