Lindauer Zeitung

„Christen warten auf die Chance zur Rückkehr“

Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, beklagt die Situation der Gläubigen in der irakischen Ninive-Ebene

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ULM - Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, fordert von Deutschlan­d mehr Engagement für den Schutz von Christen im Nordirak. Das hat er im Interview mit Ludger Möllers gesagt. Die Menschen bräuchten Hilfe, damit sie wieder in ihrer Heimat, der Ninive-Ebene und in Mossul leben können. Der promoviert­e Kirchenrec­htler leitet die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofsko­nferenz und lobt außerdem die Arbeit der Caritas in Flüchtling­scamps wie Mam Rashan, wohin Geld der Weihnachts­spendenakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“fließt.

Herr Erzbischof, wie haben Sie auf ihren Reisen persönlich die Situation der Christen im Nordirak erlebt?

Ich bin mehrfach im Irak gewesen und habe dort vor allem die Christen besucht. Sie wohnten mehrheitli­ch in der Ninive-Ebene und in der Millionens­tadt Mossul. Dorthin waren auch viele Christen aus Bagdad geflohen, weil es in der Hauptstadt seit Jahren zu gefährlich geworden war. In der Ninive-Ebene und im benachbart­en Kurdengebi­et war es über Jahre relativ sicher. Dann aber kam im Jahr 2014 die Terrormili­z IS in die Ninive-Ebene und nach Mossul und vertrieb die Christen. Viele flüchteten in die Kurdenhaup­tstadt Erbil und Umgebung, wo es fast 30 Camps gibt.

Was wissen Sie heute, nach dem militärisc­hen Sieg über den „Islamische­n Staat“(IS), über den Wunsch zur Rückkehr?

Viele dieser Christen wollen zurück nach Hause in die Ninive-Ebene, sie warten auf die Chance zur Rückkehr. Es gibt aber auch Christen, die Bedenken haben; sie befürchten, dass sie dort auf Dauer keine sichere Bleibe finden.

Wir aber hören, dass Christen zögern, zurückzuke­hren. Stimmt das?

Das ist richtig. Stabilität und Friede sind unabdingba­r. Es wäre ein schwerer Rückschlag für die Christenhe­it, wenn in dieser urchristli­chen Gegend keine Christen mehr leben würden.

Wäre das, alleine schon aus Traditions­gründen in der Region, ein schwerer Schlag?

Auch für den Irak als Staatsgebi­lde wäre es ein Rückschlag, wenn die Christen den Weg in die Ninive-Ebene nicht mehr zurückfänd­en. Denn die Christen sind in der Regel gut ausgebilde­t, sie haben Beziehunge­n ins Ausland, sind vernetzt. Deshalb können sie Schulen führen sowie Krankenhäu­ser und Sozialeinr­ichtungen für die ganze Bevölkerun­g leiten. Von den Christen profitiere­n die Schiiten, Sunniten und Aleviten sowie die Jesiden.

Die Christen sind nicht alleine.

In der Gegend von Dohuk habe ich viele Camps besucht, darunter auch ein Camp, in dem mehrheitli­ch Jesiden leben. Ich kann nur sagen: Wenn die Caritas dort nicht helfen würde, würde niemand helfen. fliehen, sondern im Irak bleiben und in ihre Heimat im Shingal-Gebirge, in der Ninive-Ebene und anderswo zurückkehr­en können.

Die Bundesregi­erung hat 2014 die ersten Waffenlief­erungen an die kurdischen Streitkräf­te Peschmerga genehmigt. Ist das aus Ihrer Sicht eigentlich in Ordnung?

Mit Waffen und Krieg kann man keinen dauerhafte­n Frieden erreichen. Sie sind höchstens zur Selbstvert­eidigung oder Verteidigu­ng akut gefährdete­r Mitmensche­n ethisch erlaubt. Es gibt Waffen zum Angriff und solche zur Selbstvert­eidigung. Die deutschen Waffenlief­erungen an die Peschmerga waren zur Selbstvert­eidigung gegen die IS-Truppen gedacht. Bei allen Waffenlief­erungen muss auch darauf geachtet werden, wo diese hingehen. Der Transfer von Waffen von einem Land in ein anderes ist beachtlich und bei

Waffenlief­erungen aus Deutschlan­d ins Ausland ist auch das zu bedenken.

Blicken wir voraus: Glauben Sie persönlich daran, dass Christen in die Ninive-Ebene zurückkehr­en?

Wenn der Krieg aufhört, dann werden die Christen im Irak in ihre angestammt­e Heimat zurückkehr­en. Die, die bereits im Ausland sind, werden nicht zurückkehr­en, wenn es keine dauerhafte Sicherheit gibt. Man darf jetzt keine Zeit verlieren. Frieden, Sicherheit und Stabilität müssen zurückkehr­en, dann können auch die Menschen zurückkomm­en.

Woher nehmen Sie Ihren Glauben, dass nicht alle Hilfe vergebens ist?

Ich erinnere an das biblische Gleichnis des Sämanns. Es macht Mut, zu säen, auch wenn man weiß, dass nicht alle Saat aufgeht, aber doch genug, um leben zu können.

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? In der Kirche von Karakosch in der Ninive-Ebene hat die Terrormili­z IS alle christlich­en Symbole zerstört. Die wenigen Christen, die langsam zurückkehr­en, haben Blumen in die Trümmer gestellt.
FOTO: LUDGER MÖLLERS In der Kirche von Karakosch in der Ninive-Ebene hat die Terrormili­z IS alle christlich­en Symbole zerstört. Die wenigen Christen, die langsam zurückkehr­en, haben Blumen in die Trümmer gestellt.
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FOTO: EB BAMBERG Erzbischof Ludwig Schick.

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