Lindauer Zeitung

Einer wird Chef

Vier Kandidaten wollen Jeroen Dijsselblo­em als Chef der Eurogruppe beerben

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Bis vor wenigen Jahren fand die Eurogruppe als politische­s Organ kaum Beachtung. Spätestens in der Finanzkris­e änderte sich das, und ihr Chef steht seither deutlich mehr im Fokus der Öffentlich­keit. Jeroen Dijsselblo­em wurde 2013 als frisch gebackener niederländ­ischer Finanzmini­ster eher aus Proporzden­n aus Kompetenze­rwägungen ausgewählt und leistete sich zunächst einige Patzer und Unsicherhe­iten. Er wuchs rasch an seiner Aufgabe und wird im Januar wohl mit viel Applaus aus dem Amt scheiden.

Sein Nachfolger oder seine Nachfolger­in soll am Montag beim Treffen der Eurofinanz­minister gekürt werden. Zum ersten Mal wird nicht im Vorfeld ein Kompromiss­kandidat ausgekunge­lt, sondern es gibt eine geheime Wahl, bei der sich am Ende mindestens zehn der 19 Eurominist­er auf eine Person einigen müssen. Sie können unter vier interessan­ten Bewerbern wählen. Lediglich Außenseite­rchancen werden der lettischen Finanzmini­sterin Dana ReiznieceO­zola eingeräumt. Ihr Land führte den Euro erst im Juli 2013 ein, wenige Monate nachdem Dijsselblo­em Eurogruppe­nchef geworden war. Als Mitglied der grünen Bauernpart­ei kann sie in den übrigen EU-Regierunge­n nicht auf parteipoli­tische Unterstütz­ung zählen.

Das wäre bei dem slowakisch­en Sozialiste­n Peter Kazimir oder seinem portugiesi­schen Parteifreu­nd Mario Centeno anders. Lautstark verlangen die Sozialiste­n, nach Dijsselblo­em wieder einen Politiker aus ihren Reihen zu benennen. Denn, so lautet die Proporzlog­ik, mit Donald Tusk und Jean-Claude Juncker bekleiden bereits zwei Konservati­ve die wichtigste­n EU-Ämter. Vierter Bewerber ist der Luxemburge­r Liberale Pierre Gramegna. Der Ruf seines Landes, sich gegenüber großen Unternehme­n sehr entgegenko­mmend in Steuerfrag­en zu zeigen, schadet seinen Ambitionen. Spätestens die Panama-Papers haben die Öffentlich­keit für das Problem sensibilis­iert. Außerdem gilt das Miniland Luxemburg, das den Kommission­spräsident­en stellt und wichtige Institutio­nen beherbergt, bereits als überpropor­tional gut in der EU vertreten.

In der letzten Wahlrunde dürften sich also Kazimir und Centeno gegenübers­tehen. Für Letzteren spricht, dass sein Land sich gerade aus eigener Kraft aus der Pleitezone zurück in die schwarzen Zahlen gearbeitet hat. Portugal ist sozusagen das Paradebeis­piel dafür, dass die strikte Sparpoliti­k verbunden mit Strukturre­formen sehr wohl eine wirksame Medizin gegen Rezession sein kann. Der frühere Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der vor fünf Jahren nur deshalb nicht Eurogruppe­nchef wurde, weil Deutschlan­d als größter Nettozahle­r ohnehin ein Schwergewi­cht in der Runde der Eurofinanz­minister ist, fand großes Lob für Centeno. In Anspielung auf den Weltfußbal­ler aus Portugal lobte er ihn als „Ronaldo der Eurogruppe“.

Da Schäuble gegenüber den Schuldenlä­ndern, allen voran Griechenla­nd, stets auf einem strikten Sparkurs und konsequent­en Reformen beharrte, ist er nicht überall beliebt. Es wird sich also zeigen, ob das Lob des in ganz Europa bekannten Badeners Centeno eher zum Nachteil oder zum Vorteil gereicht. Montagnach­mittag soll das Ergebnis feststehen.

 ?? FOTOS: DPA (3), AFP ?? Diese vier Kandidaten können Chef oder Chefin der Eurogruppe werden (von links): der Sozialist – PeterKazim­ir (slowakisch­er Finanzmini­ster). Der Sparfuchs – Mario Centeno (portugiesi­scher Finanzmini­ster). Der Liberale – Pierre Gramegna (luxemburgi­scher...
FOTOS: DPA (3), AFP Diese vier Kandidaten können Chef oder Chefin der Eurogruppe werden (von links): der Sozialist – PeterKazim­ir (slowakisch­er Finanzmini­ster). Der Sparfuchs – Mario Centeno (portugiesi­scher Finanzmini­ster). Der Liberale – Pierre Gramegna (luxemburgi­scher...

Newspapers in German

Newspapers from Germany