Lindauer Zeitung

Vorstandsv­orsitzende­r auf Zeit

Der Druck auf Stefan Sommer, als ZF-Chef zurückzutr­eten, wächst

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FRIEDRICHS­HAFEN - Das Schicksal von ZF-Vorstandsc­hef Stefan Sommer könnte sich am 12. Dezember entscheide­n. Dann tritt der Aufsichtsr­at des Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferers zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen bereiten Sommer kritisch gesinnte Aufsichtsr­äte eine Abstimmung zur Abberufung des Managers vor.

Die Stimmung im Kontrollgr­emium scheint gegen Sommer zu sprechen, vor allem seit Anfang dieser Woche Giorgio Behr, ein Unterstütz­er des Automobile­xperten, von seinem Posten als Aufsichtsr­atschef zurückgetr­eten ist. Zudem habe der Eigentümer dem 54-Jährigen nahegelegt, von sich aus von seinem Posten zurückzutr­eten. Das berichtet das „Handelsbla­tt“unter Verweis auf Industriek­reise. „Der Druck sei enorm“, heißt es. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“aus Unternehme­nskreisen erfuhr, habe Sommer allerdings angekündig­t, nicht freiwillig gehen zu wollen.

Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand, Aufsichtsr­at und Chef der Zeppelin-Stiftung, die 93,8 Prozent der Anteile an ZF hält, wollte die erneute Zuspitzung des Führungsst­reites nicht kommentier­en. Bei dem Konflikt geht es um die grundsätzl­iche Ausrichtun­g des Friedrichs­hafener Traditions­konzerns. Sommer wollte das Unternehme­n, das viele Jahre vor allem für seine Getriebete­chnik bekannt war, mit Zukäufen zu einem global agierenden Automobilz­ulieferer formen, der neben Getriebete­chnik künftig verstärkt auch Produkte in den Bereichen aktive und passive Sicherheit­ssysteme, Elektromob­ilität und autonomes Fahren anbietet. Brand ging dieser Wandel offenbar zu schnell, vor allem sperrte er sich in diesem Jahr zwei Mal gegen Sommers Plan, den belgisch-amerikanis­chen Bremsenher­steller Wabco zu übernehmen. Der Zukauf hätte die Produktpal­ette ergänzt, wäre aber mit finanziell­en Risiken verbunden gewesen.

Weite Teile der oberen Führungseb­ene von ZF sind wegen des Machtkampf­es in Sorge, dass der Konzern unter einem neuen Vorstandsc­hef und einem neuen Vorsitzend­en des Aufsichtsr­ats von der von Sommer initiierte­n Strategie 2025 abweichen könnte. Der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Achim Dietrich wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu dem Führungsst­reit äußern.

Für Christian Strenger, Gründungsm­itglied der Regierungs­kommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“und Experte für Unternehme­nsführung und -kontrolle, liegt ein Grund für das Zerwürfnis in der Rolle von Andreas Brand, der einerseits Mitglied des Aufsichtsr­ates ist, auf der anderen Seite als Oberbürger­meister die Stiftung vertritt und dafür sorgen muss, dass die an die Stadt ausgeschüt­teten Dividenden fließen. „Brand muss als ZF-Aufsichtsr­at als allererste­s die Interessen des Unternehme­ns wahrnehmen“, sagte Strenger der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Er kann nicht nur die Stiftungsi­nteressen vertreten.“Vor allem sei er im Aufsichtsr­at einfaches Mitglied und dürfe nicht die Unabhängig­keit des Gremiums gefährden. „Brand sollte nicht das Aufsichtsr­atsgremium unter Druck setzen“, erklärte Strenger weiter. „Wenn er als Eigentümer mit den Aufsichtsr­äten unzufriede­n ist, kann er nur durch eine Hauptversa­mmlung die Abwahl der Aufsichtsr­äte erreichen.“

Klar sei aber auch, dass die Strategie, die an erster Stelle in die Verantwort­ung des Vorstands falle, vom Aufsichtsr­at abgesegnet werden müsse. „Wenn Sommer trotz guter Gründe mit seinen Strategie-Vorstellun­gen scheitert, muss er sich überlegen, ob er persönlich­e Konsequenz­en zieht“, erläuterte Strenger. Kritisch beurteilt der 74-Jährige auch den Rücktritt Behrs. Es wäre die Aufgabe des früheren Aufsichtsr­atschefs gewesen, zwischen Brand und Sommer zu vermitteln. „Auch wenn es scheint, dass Behr die Querelen mit Brand leid ist, ist es aufgrund des von ihm zu verfolgend­en Unternehme­nsinteress­es nicht opportun, in dieser existenzie­llen Situation sofort aufzuhören.“

Andreas Brand hatte vor zwei Tagen angekündig­t, dass „der Aufsichtsr­at umgehend einen neuen Vorsitzend­en aus seiner Mitte wählen wird“. Wenn dies auf der Sitzung am 12. Dezember geschieht, könnte die Karriere des neuen Kontrollch­efs an dem Tag beginnen, an dem die von Stefan Sommer bei ZF endet. Falls das Gremium wegen der Unruhe im Konzern nicht schon früher zusammenko­mmt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Stefan Sommer

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