Auf der Suche nach neuen Formen
Theorie, Musik und Performance begegnen sich an der Friedrichshafener Zeppelin-Universität
FRIEDRICHSHAFEN - Die Suche nach neuen Konzertformaten hat Konjunktur. Allenthalben werden Veranstaltungen mit Vertretern verschiedener Kunst- und Lebensbereiche als Antwort auf die Krise traditioneller Präsentationsformen „klassischer“Musik favorisiert. Die Zauberworte für derlei modische Rezepte heißen „experimentell“, „interaktiv“und „interdisziplinär“. Kombinationen von Raummusik, Installation, Performance, Happening oder Improvisation mit Themen unserer modernen Zivilgesellschaft werden dabei großgeschrieben. Mit Erfolg wurde nun ein solches Konzept an der Friedrichshafener Zeppelin-Universität (ZU) erprobt.
Als Veranstalter traten Studierende der Fächer Kommunikation und Kulturmanagement auf. Ihr Erstversuch wurde finanziell unterstützt von der Gesellschaft der Freunde und der „Student Lounge“der ZU. Der Abend mit dem kryptischen Titel „Kabine 1“ließ an vergleichbare Projekte bei den „Montforter Zwischentönen“in Feldkirch, bei den Vorarlberger „Tagen der Utopie“oder im neuen Landeszentrum der Trossingener Musikhochschule denken. Auch der Stuttgarter Innovationskongress „Zukunftslabor Musik“wird im nächsten Januar ähnliche Vermittlungsmodelle propagieren.
Charme des Provisoriums
Im „Graf von Soden“-Forum der ZU sollten „Philosophie und Musik als Träger von Ideen und Empfindungen“in einen Dialog zum Thema „Heimat“treten. Für externe Besucher war der Raum nicht leicht zu finden. So blieb das überwiegend studentische Publikum fast unter sich. Die mit starker Verspätung beginnende Veranstaltung wirkte organisatorisch improvisiert, atmete aber den Charme eines Provisoriums.
Zum Auftakt präsentierten die junge spanische Sopranistin Julia Moya und der Wiener Experimental-Jazzer Max Bogner (E-Gitarre) eine Performance mit dem am ZU studierenden Pianisten Billy Contreras. Englische Sprechtexte und spontan erfundene Vokalisen mischten sich in dynamisch, rhythmisch und tonhöhenmäßig fein koordinierte Klangschwaden, deren raumgreifendes Wabern die Podiumsdiskussion beflügelte.
Was ist Heimat?
Den studentischen Moderatoren ging es um die Frage, ob der Begriff „Heimat“in Anbetracht zunehmender globaler Mobilität neu gedacht werden könne. Als Ausgangspunkt diente ihnen das Start-up-Unternehmen „New Eelam“, dessen utopisch anmutendes Projekt „Transnationales Wohnen gegen eine Flatrate für Mitglieder“zur Zeit im ZU-Ausstellungsraum „White Box“präsentiert wird. Eingeleitet wurde die Debatte von dem Berliner Philosophen Armen Avanessian mit assoziativen, teilweise auch witzig vorgebrachten Thesen zu raumzeitlichen Aspekten des „Konstrukts Heimat“. Während er versiert durch allerlei Begriffskombinationen eierte und teils auch etwas windige Statements vorbrachte, starrte er fast permanent auf sein Smartphone.
Widerspruch oder ergänzende Sichtweisen kamen dann von dem Kulturwissenschaftler Jan Söffner, der Theologin Ramona Kordesch und dem Soziologen Alexander Ruser, die alle an der ZU lehren oder forschen. Auch einige Zuhörer steuerten interessante Gedanken bei. Mit zwei Opernarien und dem unbegleiteten „Ave Maria“von Franz Schubert leitete Moya über zu einer konzentrierten Improvisation Bogners, in der Gitarren- und Stimmklänge, Effektgeräte, Geräusche und Verstärkerrauschen eine dramaturgisch packend entwickelte Hörgeschichte erzählten.