Lindauer Zeitung

Mysterien im finsteren Forst

Mit „Dark“schickt der Streamingd­ienst Netflix die erste deutsche Produktion ins Rennen

- Von Daniel Drescher

ange hinkte Deutschlan­d bei Streamings­erien hinterher, nun soll „Dark“es richten: Die erste deutsche Netflix-Produktion ist seit Freitag in 190 Ländern weltweit zu sehen. Und auch wenn die Mystery-Serie das Rad nicht neu erfindet: Ihr Ehrgeiz ist erfrischen­d.

Die Kamera zoomt bedeutungs­schwanger auf das Gesicht, die Abspann-Melodie ertönt – und wie es weitergeht, erfährt der Zuschauer eine Woche später: Lange Zeit war das die Realität für Serienfans, von „Lindenstra­ße“bis „Lost“. Doch Streamingd­ienste haben in den vergangene­n Jahren die Sehgewohnh­eiten der Menschen drastisch verändert.

Einer aktuellen Studie der Prüfungsun­d Beratungsg­esellschaf­t Ernst & Young zufolge gucken bereits 55 Prozent der Bis-20-Jährigen in Deutschlan­d Filme und Serien ausschließ­lich online. In der Zielgruppe 21 bis 30 sind es 36 Prozent. Und das Analyse-Unternehme­n IHS Markit beziffert den Umsatz mit Video-On-Demand-Angeboten im Internet (VoD) in Deutschlan­d für das Jahr 2017 auf 945 Millionen Euro – ein Plus von fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Online-Videodiens­te wie Netflix und Amazon Prime zeigen dabei längst nicht mehr nur Fremdprodu­ktionen, sondern investiere­n Milliarden in eigene Inhalte. Das traditione­lle Fernsehen ist zwar noch nicht abgemeldet, doch die Revolution im visuellen Unterhaltu­ngssektor ist längst im Gange.

Nachdem Deutschlan­d die Entwicklun­gen lange verschlafe­n hat, zeichnet sich nun ein Wandel ab. 2017 könnte dabei als entscheide­ndes Jahr in die Geschichte eingehen. Maxdome brachte die Buddy-Serie „Jerks“mit Christian Ulmen und Fahri Yardim an den Start, erreichte damit aber kaum ein internatio­nales Publikum. Amazon Prime Video veröffentl­ichte die Hackerseri­e „You Are Wanted“mit dem sonst eher auf Romantikko­mödien abonnierte­n Matthias Schweighöf­er, imitierte damit aber lediglich, was andere schon weitaus besser und klischeefr­eier gemacht hatten.

Keine Zugriffsza­hlen öffentlich

Nun also „Dark“. Und man muss schon sagen: Was Regisseur Baran bo Odar und seine Frau Jantje Friese da erschaffen haben, ist internatio­nal absolut konkurrenz­fähig (siehe Besprechun­g der ersten drei Episoden im Kasten unten links). Odar konnte 2014 mit seinem Hacker-Thriller „Who Am I“überzeugen und kam so aufs Radar der Netflix-Macher. Nun schickt er in „Dark“große Namen wie Karoline Eichhorn („Drei Tage im April“) aber auch Newcomer wie Louis Hoffmann („Unter dem Sand – Das Verspreche­n der Freiheit“) auf einen Gruseltrip. Die Serie vereint Elemente aus Mystery und Thriller und sticht mit ihrem Zeitreise-Sujet deutlich aus der üblicherwe­ise recht biederen deutschen Serienland­schaft heraus.

Wie erfolgreic­h die Streamings­erien dann wirklich sind, ist schwer zu bewerten. Denn im Gegensatz zum Fernsehen, bei dem Quoten erfasst werden, legen weder Netflix noch die Konkurrenz Zugriffsza­hlen für eigene Produktion­en offen. Klar ist allerdings: Wenn es sich nicht lohnen würde, gäbe es keine Milliarden­investitio­nen in neue Produktion­en.

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FOTO: JULIA TERJUNG/NETFLIX/DPA Jonas Kahnwald (Louis Hofmann) ist der Wald in „Dark“nicht geheuer.

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