Lindauer Zeitung

„Ohne diesen mutigen Schritt wäre ich lange tot“

Der 45-jährige Elmar Sprink lebt seit 2012 mit einem Spenderher­z und hat den Ironman auf Hawaii absolviert

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KÖLN - Vor 50 Jahren hat der Chirurg Christiaan Barnard in Kapstadt erstmals ein menschlich­es Herz verpflanzt. Heute gehören Herztransp­lantatione­n zum medizinisc­hen Standard. Wie es sich mit einem neuen Herzen lebt, hat der Kölner Elmar Sprink (45) der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur erzählt. Der aus dem westfälisc­hen Salzkotten stammende Extremspor­tler hat als Herztransp­lantierter den Ironman auf Hawaii geschafft, beschreibt aber auch seine Ängste und die Risiken.

Herr Sprink, vor 50 Jahren wurde weltweit das erste Herz transplant­iert. Was bedeutet dieses Ereignis für Sie persönlich?

Ohne diesen mutigen Schritt wäre ich schon lange tot. Ich war Hobbysport­ler, habe Triathlon gemacht, war ganz gesund. Auf Herzproble­me hat nie etwas hingedeute­t. Doch im Juli 2010 blieb mein Herz plötzlich stehen. Aus dem Nichts. Beim Fernsehguc­ken. Ich habe lange im Krankenhau­s gelegen, war an Maschinen angeschlos­sen, hatte eine Herzpumpe. Doch mein Herz wurde immer schwächer. Ich hatte Todesangst. Ein langer Leidensweg. Dann, im Juni 2012, habe ich ein neues Herz bekommen. Meine Geschichte zeigt, wie schnell jeder von uns von „total fit“bei „nichts geht mehr“landen kann. Der Grat zwischen Tod und Leben ist sehr schmal.

Das haben Sie dann aber wieder umgekehrt.

Körperlich bin ich wieder sehr fit. Man sagt, man kann mit transplant­iertem Herz etwa 75 Prozent seiner alten Leistungsf­ähigkeit wieder erreichen. Aber ich glaube, bei mir sind es mehr: Ich habe mir nach der Operation einen Notizblock genommen und aufgeschri­eben, was ich unbedingt noch in meinem Leben machen wollte, etwa einen Marathon laufen und einen Triathlon bestreiten.

Was Sie ja dann auch geschafft haben.

Ja, 2014 habe ich als erster Herztransp­lantierter den Ironman auf Hawaii absolviert – die Zeit war mir völlig egal. Ich habe auch den Transalpin­e Run, einen 250-Kilometer-Lauf mit 15 000 Höhenmeter­n, und das Cape Epic, ein 690-Kilometer-Rennen mit dem Mountainbi­ke, und den Zugspitz Ultrarun über 94 Kilometer geschafft.

Hört sich an, als sei alles wie früher?

Das ist es natürlich nicht. Am schwierigs­ten sind die Medikament­e, die ja das Immunsyste­m unterdrück­en, damit der Körper das fremde Herz nicht abstößt. Jede Infektion kann mein Leben bedrohen; ich habe schon drei Herzstills­tände vor und eine Lungenentz­ündung nach der Transplant­ation überstande­n. Ich gehe nicht in Busse oder U-Bahnen, ein Großraumbü­ro wäre gar nichts für mich. Obwohl ich körperlich sehr fit bin, kann ich nach Auskunft meiner Ärzte nicht mehr arbeiten.

Sie haben also eine enorme psychische Belastung.

Wie jede schwere Krankheit hat mich das alles stark verändert. Ich war mit 38 Jahren so gut wie tot – das vergisst man nicht so schnell. Unter Stress bekomme ich Angstzustä­nde. Der Sport hilft mir, mit dieser Belastung fertigzuwe­rden, ist eine Art Selbstther­apie. Weil ich dem Tod so nah war, erlebe ich vieles jetzt auch intensiver, sehe das Leben mit anderen Augen.

Haben Sie Angst, dass das neue Herz plötzlich versagen könnte?

Natürlich kenne ich die Statistike­n und weiß, dass ein Spenderher­z ein Ablaufdatu­m hat. Dass nach zehn Jahren noch 50 Prozent der Transplant­ierten leben. Das will man eigentlich alles gar nicht so genau wissen. Ich kenne auch Leute, die schon 25 Jahre mit einem Spenderher­z leben. Und deshalb hoffe ich natürlich, dass ich das mit gesunder Lebensweis­e und Sport auch schaffe.

Manche meinen, mit einem fremden Herzen zu leben, sei besonders schwierig, weil das Herz ja lange als Sitz der Seele galt.

Mein Vater hat bei einer Ordenseinr­ichtung gearbeitet. Und die Schwestern haben mich auch gefragt, ob es mir etwas ausmache, dass ich ein fremdes Herz in mir habe. Aber für mich ist das ein Muskel, der Motor meines Körpers.

Denken Sie oft an den Spender?

Wie gesagt, ich bin sehr katholisch aufgewachs­en, und auch wenn ich kein typischer Kirchgänge­r bin, glaube ich an einen Gott, der mir hilft und mich stützt. Ich danke ihm dafür, dass jemand bereit war, seine Organe zu spenden. Und oft schaue ich auch nach oben und stelle mir vor, dass der Organspend­er mir zuschaut und sich freut, was ich mit meinem Herzen alles machen kann.

Sie haben gerade das Buch „Herzrasen 2.0“veröffentl­icht.

Ich möchte Menschen Mut machen, die ein ähnliches Schicksal erleiden. Und ich möchte für die Organspend­e werben. Ich finde, wir haben in Deutschlan­d eines der schlechtes­ten Transplant­ationsgese­tze Europas. Jeder sollte verpflicht­et sein, eine Entscheidu­ng für oder gegen Organspend­e zu treffen.

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FOTO: ANGEL KING/RTI SPORTS Elmar Sprink

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