Lindauer Zeitung

Der Zweck heiligt das Bier

Pater Jérémie predigte in Brüssel vor einer schrumpfen­den Gemeinde – bis er die Idee mit dem Brauen hatte

- Von Oliver Beckhoff

BRÜSSEL (dpa) - Adam Nowek versteht etwas von Bier. Der Blogger will rund um die Erde schon fast 3200 Sorten aus 96 Ländern getestet haben – darunter Produkte aus Malawi, Uganda oder der Mongolei. Doch was Nowek nun vor einer Kirche im belgischen Brüssel erlebt hat, war selbst für ihn Neuland: „Ich habe das umzingelt von Priestern probiert, während im Hintergrun­d AchtzigerS­ounds liefen“, schreibt er über das Kirchen-Bier, das Pfarrer Jérémie Schaub nun vorstellte.

Erlös für die Renovierun­g

50 000 Flaschen Bier hat Pater Jérémie (34) produziere­n lassen. Mit dem Inhalt ließe sich ein kleiner Swimmingpo­ol füllen. Doch der Pfarrer der Gemeinde Sankt Katharinen im Zentrum von Belgiens Hauptstadt hat natürlich ganz andere Pläne: Vom Erlös aus dem Verkauf soll die Kirche renoviert werden. Von deren Wänden bröckelt stellenwei­se der Putz.

Doch das Renovieren allein ist nicht alles. „Ich will etwas für unser Viertel machen. Ich will mehr Dynamik in der Kirche und eine Beziehung zu den Menschen hier“, sagt der Geistliche, der mithilfe des Bieres auch die Menschen erreichen will, die nicht in seinen Gottesdien­st kommen.

Denn auf Weniges können sich Wallonen, Flamen und die deutschspr­achige Minderheit so gut einigen wie auf das Nationalge­tränk. In dem Land mit drei Amtssprach­en, das einmal 541 Tage ohne Regierung war, weil die Koalitions­bildung scheiterte, ist der Gegensatz sonst sprichwört­lich: ein „belgischer Kompromiss“ meint eine Einigung, mit der niemand glücklich ist. Bier hilft. Die UN-Kulturorga­nisation Unesco hat die belgische Biertradit­ion im vergangene­n Jahr sogar als immateriel­les Kulturerbe anerkannt. Rund 1500 verschiede­ne Sorten soll es im Königreich geben.

„Ste Kat“, so der Name des Bieres in Anlehnung an den abgekürzte­n Gemeindena­men, soll an alte Trappisten­und Klosterbie­re erinnern und trotzdem modern schmecken, sagt Schaub. Der Pfarrer wird auf dem Kirchvorpl­atz per Handschlag von Männern begrüßt, die auf den derzeit sehr angesagten Fixie-Bikes radeln und modischen Vollbart tragen.

Entwickelt hat der Pfarrer von Sankt Katharinen das Bier mithilfe eines Brüsseler Brauerei-Start-ups, das sich auf sogenannte Craft Beers spezialisi­ert hat. Gemeint sind handwerkli­ch und in kleiner Auflage gebraute Biere. Am Ende stand ein helles Bier mit fruchtiger Note.

„Es ist ein bisschen trockener als ein klassische­s Klosterbie­r“, sagt Dimitri Van Roy vom „Brussels Beer Project“. Seit Anfang Oktober wird „Ste Kat“im Kirchensho­p verkauft. Zu haben ist es im Geschäft des Startups sowie in Cafés und Bars im Umfeld der neu-gotischen Kirche.

Doch wie viel Bier braucht es, damit die Kirche auf dem Flaschenet­ikett wieder zum Stadtgespr­äch wird, damit die Brüsseler sie wieder stärker als Wahrzeiche­n wahrnehmen und die Fassaden ausgebesse­rt werden können? „Es gibt kein Limit“, sagt Schaub und lacht. „Um die Kirche zu renovieren, bräuchten wir Millionen.“

Ist das ein Modell für Deutschlan­d? Bei der Jugendorga­nisation der katholisch­en Kirche (BDKJ) ist man jedenfalls angetan. „Biertradit­ion und Kirche, von den Klöstern her gehört das jedenfalls zusammen“, sagt Bundespräs­es Dirk Bingener. Mit der Postkarten-Aktion „Triff den Papst in der Kneipe“versuche die Organisati­on gerade sowieso, in die Schankräum­e zu kommen.

Papst macht Werbung

50 000 Postkarten mit dem Konterfei des Papstes werden dafür in Kneipen ausgelegt. Aufgedruck­t ist ein Link zu einer Online-Befragung: Der Papst interessie­re sich für die Anliegen junger Menschen. Es ist nicht ganz der direkte Draht, den sich Schaub für seine Brüsseler Gemeinde ausmalt. Doch für BDKJ-Mann Bingener sind es zwei Seiten derselben Medaille. „Jedes Bier, das da gebraut wird, ist eine Möglichkei­t, ins Gespräch zu kommen, ebenso jede Postkarte“, sagt er. Wenn eine Aktion wie die von Pater Jérémie auch noch Geld für die Verschöner­ung einer Kirche einbringe: umso besser.

Dass Kirche und Bier gut zusammenge­hen, belegt aber nicht nur die Tradition der Klosterbra­uereien. So gibt es in Deutschlan­d und Belgien Formate, in denen Pfarrer nach dem Gottesdien­st zum Kneipenbes­uch aufrufen – beispielsw­eise bis kürzlich im Berliner Stadtteil Spandau und im oberbayeri­schen Traunreut.

Und als im belgischen Dorf Brielen die Kneipen starben, ließ der Pfarrer eine Theke in der Kirche aufbauen – Ausschank nur sonntags. Die Brieler gehen seither wieder öfter in den Gottesdien­st. Eine Theke neben dem Altar ist in Brüssel trotzdem nicht geplant.

 ?? FOTO: DPA ?? Pfarrer Jérémie Schaub präsentier­t eine Flasche „Ste Kat“Craft-Bier auf einer Bank vor seiner Kirche.
FOTO: DPA Pfarrer Jérémie Schaub präsentier­t eine Flasche „Ste Kat“Craft-Bier auf einer Bank vor seiner Kirche.

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