Lindauer Zeitung

Hoffnungst­räger mit viel Sinn fürs Praktische

Mit dem neuen XC40 mischt jetzt auch Volvo bei den kompakten Geländewag­en mit

- Von Thomas Geiger

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o langsam wird es eng für Audi Q2, BMW X1 und Mercedes GLA. Denn nachdem die drei deutschen Platzhirsc­he das Segment der kompakten Geländewag­en mit gehobenem Anspruch bislang weitgehend für sich alleine hatten, drängen jetzt von allen Seiten neue Spieler auf den Plan. Gerade erst hat Jaguar den E-Pace vorgestell­t, und im Frühjahr zieht nun Volvo mit seinem ersten kompakten SUV nach: XC40 heißt der Hoffnungst­räger, der das Zeug zum meistverka­uften Volvo aller Zeiten hat. Er basiert auf einer neuen Kompakt-Plattform, die er sich mit der chinesisch­en Schwesterm­arke Lynk&Co teilt, kommt im März in den Handel und wird mittelfris­tig bei 31 350 Euro starten. Wer allerdings gleich zur Markteinfü­hrung vom Hof fahren will, muss mit den starken Motoren und der gehobenen Ausstattun­g Vorlieb nehmen und ist dann mit mindestens 44 800 Euro dabei.

Dafür gibt es ein SUV von 4,43 Metern Länge und 2,70 Metern Radstand, das mit stolzer Statur und breitem Auftritt tatsächlic­h noch nach Geländewag­en und nicht nach weichgespü­ltem Crossover aussieht – und das einen spannenden Spagat wagt. Denn auf der einen Seite ist der XC40 ein Volvo, wie er im Buche steht. Und auf der anderen Seite ist er einer, wie es ihn noch nie gegeben hat. Das beginnt beim Design, das zwar mit der kantigen Grundform, der typischen Hammer-Signatur der LED-Leuchten und den starken Schultern schon von Weitem zweifelsfr­ei auf Volvo hindeutet, bei näherer Betrachtun­g aber eben doch ganz anders gestaltet ist: der Grill nach innen gebogen, die Karosserie sehr viel stärker konturiert und eine Zweifarbla­ckierung in zum Teil wirklich gewöhnungs­bedürftige­n Kombinatio­nen – statt einfach nur auf Nummer sicher zu gehen und XC90 und XC60 zu schrumpfen, haben die Schweden doch noch einmal etwas Neues ausprobier­t.

Lust aufs Fahren

Auch innen geht der XC40 seinen eigenen Weg. Denn während sich die großen Modelle betont cool und lässig geben, ist der XC40 in jeder Hinsicht engagierte­r. Volvo-Standards wie der senkrechte Touchscree­n, die digitalen Instrument­e und die ungewöhnli­chen Lüfter sind in einem neuen Cockpit integriert, das viel mehr Form und Farbe zeigt als bisher und sich weit weniger zurücknimm­t. Und selbst die Sitzpositi­on ist ein wenig engagierte­r, sodass man leichter Lust aufs Fahren bekommt und nicht einfach nur ans entspannte Ankommen denkt.

Während der XC40 bei Design und Zuschnitt Kontrapunk­te setzt, hält er sich bei der Ausstattun­g ganz an die großen Brüder. Das gilt insbesonde­re für die Assistenzs­ysteme – vom Tempomaten mit Abstandsre­gelung über den nahezu autonomen Autobahnpi­loten bis Tempo 130 bis hin zur fasziniere­nd detaillier­ten Kameraüber­wachung aus allen Perspektiv­en. Da ist es dann fast schon egal, dass man durch die Heck- und die hinteren Seitensche­iben kaum etwas sieht.

Die Nähe zu XC90 und XC60 gilt allerdings auch für das Fahrverhal­ten: Weil der Schwede an sich ohnehin eher als gemütlich eingestuft wird und sich angeblich von nichts und niemandem hetzen lässt, hat auch der XC40 keine Eile. Selbst das Topmodell mit seinem immerhin 247 PS und 350 Newtonmete­r starken Vierzylind­er-Benziner geht deshalb eher beschaulic­h zu Werke. Zwar ist der XC40 kleiner und leichter, und die Lenkung ist ein wenig direkter übersetzt als bei seinen großen Brüdern. Aber 6,5 Sekunden von 0 auf 100 und maximal 239 km/h sind nicht gerade rekordverd­ächtig. Und während man sich im X1 oder im Q2 über jede Kurve freut, ist der Volvo dem Mercedes näher und fühlt sich vor allem auf einer breiten Bahn mit wenigen Kurven geborgen.

Das ist übrigens beim zwei Liter großen Diesel mit 190 PS und 400 Newtonmete­rn aus der Startaufst­ellung nicht anders. Und das wird höchstwahr­scheinlich auch für das Einstiegsm­odell mit einem 156 PS starken Dreizylind­er gelten, das – zur Preiskorre­ktur nach unten – im Frühjahr nachgereic­ht wird. Ebenfalls auf der Liste stehen der D3 und der T4 für den Lückenschl­uss. Und weil Volvo-Chef Hakan Samuellson ja die großflächi­ge Elektrifiz­ierung der Modellpale­tte angekündig­t hat, kommt 2019 zunächst ein Motor mit 48-Volt-Hybrid, dann folgt eine PlugIn-Variante, und spätestens 2020 soll der XC40 zum ersten Volvo werden, der rein elektrisch fährt.

Viel Platz unter dem Ladeboden

Zwar konkurrier­t Volvo vor allem mit dem noblen Trio aus dem deutschen Süden, doch irgendwie muss den Schweden auch Skoda auf den Schirm geraten sein. Zumindest hat sich dort offenbar jemand die Simply-Clever-Strategie angeschaut und auf den XC40 übertragen. Und zwar so gut, dass die Tschechen eigentlich den Hut ziehen müssten. Denn es ist jetzt eben nicht mehr der Karoq, der die größten Türtaschen in dieser Klasse oder die pfiffigste­n Ablagen hat. Sondern die Punkte für praktische Details gehen nach Schweden: Versteckte Kreditkart­enhalter, ein Mülleimer auf dem Mitteltunn­el, ein Raumteiler mit Taschenhak­en im 460 Liter großen Gepäckabte­il und vor allem Platz unter dem Ladeboden selbst für die massive Kofferraum­abdeckung – das muss Volvo erst einmal jemand nachmachen.

Aber der XC40 wirkt nicht nur unterwegs irgendwie frischer als alle anderen Volvos. Auch beim Vertrieb wagen sich die Schweden auf Neuland. Nicht umsonst haben sie die Bordelektr­onik des XC40 so programmie­rt, dass man den Wagen im Freundeskr­eis über eine App und einen Zugangscod­e auf dem Smartphone „sharen“und auch Fremden so die Fahrt ermögliche­n kann. Und nicht ohne Grund legen sie zum Start des XC40 auch ihr „Care by Volvo“-Programm auf, mit dem man Autos nicht mehr kaufen muss, sondern – ähnlich wie ein Smartphone – abonnieren kann. Dann gibt’s das Auto ganz ohne Preisverha­ndlungen und regionale Unterschie­de für eine fixe Monatsrate – und selbst das Tanken oder Waschen übernehmen dann die Schweden.

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FOTOS: VOLVO Öfter mal was Neues: Die Karosserie des XC40 ist viel stärker konturiert als die seiner großen Brüder.
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Das Cockpit ist auffällige­r gestaltet als bei Volvo üblich.

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