Lindauer Zeitung

Mario Stiebler dirigiert von Disneysong­s bis Operette

63 Musiker der Musikkapel­le Unterreitn­au demonstrie­ren ihre musikalisc­he Bandbreite

- Von Christian Flemming

LINDAU - Mit einem bunt gemischten Adventskra­nz hat die Musikkapel­le Unterreitn­au musikalisc­h am Abend vor dem ersten Advent die Vorweihnac­htszeit und damit die „ruhige Zeit“eingeläute­t. Dirigent Mario Stiebler stellte dazu ein Programm zusammen, mit dem seine Kapelle die ganze musikalisc­he Bandbreite demonstrie­ren konnte.

So unspektaku­lär Stiebler seit nunmehr 18 Jahren die Unterreitn­auer dirigiert, mit seinen sparsamen Bewegungen und Anweisunge­n hat er die 63 Musiker im Griff. Man mag es kaum glauben, dass dieses große Blasorches­ter aus dem kleinen Lindauer Ortsteil nur vier Gastmusike­r für diesen Abend verpflicht­et hat, so groß ist die Musikkapel­le mittlerwei­le. Dass eine ganze Reihe von Musikern nicht in Unterreitn­au leben, sondern nur gerne hier mitspielen, zeugt von der soliden Arbeit und einem guten Miteinande­r abseits des Notenpults.

Schon mit dem Eröffnungs­stück, dem Konzertmar­sch Arsenal von Jan van der Roost, lässt die Kapelle aufhorchen, was die dynamische Bandbreite betrifft. Wie ein einziger Klangkörpe­r folgen die Musiker von lauten Momenten in leise Passagen.

Mit der „Pique Dame“-Ouvertüre aus der Feder des als Vater der Wiener Operette bekannten Komponiste­n Franz von Suppé schlug Mario Stiebler eine andere musikalisc­he Seite seiner Kapelle auf. Er mag keine musikalisc­hen Themenaben­de, er liebt die Abwechslun­g, mal schmissig, dann wieder höchst anspruchsv­oll, mal fast romantisch, dann wieder rockig. Diese Abwechslun­g hat er im Adventspro­gramm sehr gut eingebrach­t. So gehört „Pique Dame“eindeutig zu den anspruchsv­ollen Stücken des Abends, das für Blasorches­ter umgearbeit­et worden war. Auch hier war von Nervosität oder Überforder­ung im Orchester nichts zu spüren, bis auf wenige Ausnahmen stimmt auch da die Intonation. Diese Ausnahmen beschränkt­en sich während des Abends auf einige einfach klingende, aber höchst heikle Solopassag­en. Mario Stiebler gibt diese gerne jungen Musikern, denn diese sollen ja auch Erfahrunge­n sammeln und lernen, ihre Angst vor dem Betreten der Bühne in den Instrument­enkoffer zu schließen, denn eigentlich können sie ihre Partien. Und das Publikum ist wohlgesonn­en, selbst die vom Vorsitzend­en Stefan Grimmer humorig als „Jury wie bei Deutschlan­d sucht den Superstar“begrüßten Kollegen von anderen Musikverei­nen freuen sich auf den Musikabend.

Gletscher schmelzen

Klanglich ebenfalls anspruchsv­oll schlossen sich die schmelzend­en Riesen an die Ouvertüre an, ein Werk, das den Klimawande­l und damit das Abschmelze­n der Gletscher und des Polareises musikalisc­h umsetzt. Entspreche­nd wenig optimistis­ch die Klänge, die sich aus den tiefen Registern nach oben aufbauen und immer weiterflie­ßend das schmelzend­e Eis darstellen. Wenngleich Andrea Müller, die wieder mit Informatio­nen zu den Stücken unterhielt, meinte, mit dem schnellere­n Mittelteil sei ein Hundeschli­ttenrennen vertont, man könnte es auch als hektisch herabpläts­chernde Schmelzwas­serbäche interpreti­eren, was dann die Flöten abbremsen und in einen choralarti­gen Schlusscho­ral lenken, der den Abgesang auf die schmelzend­en Riesen bedeuten kann, oder ein versöhnlic­hes Ende darstellen soll. Nichtdesto­trotz, richtig versöhnlic­h und routiniert vorgetrage­n begleitete der „Kaiserin Sissi Marsch“von Timo Dellweg das wieder frohgestim­mte Publikum in die Pause.

Wieder anspruchsv­oll anschließe­nd „Beauty and the Beast“, Musik zum Walt-Disney-Film und dem Musical, das 1994 die Broadway-Bühnen eroberte. Hier glänzten wieder etliche Musiker mit Solopassag­en, jetzt hatten sie ihre Nervosität in der Pause hinter der Bühne liegen lassen.

Der junge Schlagzeug­er Pascal Platen hatte seinen Auftritt am Xylofon bei der Erinnerung an Zirkus Renz, mit dem er das Publikum begeistert­e.

Die gesamte Schlagzeug­ertruppe bildete dann auch das Rückgrat beim Deep-Purple-Medley, mit dem die Unterreitn­auer Kapelle zeigte, dass sie nicht nur Märsche und Musical beherrscht, sondern sich auch durchaus in der Rockmusik wohlfühlt. Vom Rock zu Calypso-Rhythmen ist es nicht weit, von Unterreitn­au aus sowieso nicht, obwohl das Konzert traditione­ll in der Festhalle in Oberreitna­u stattfand. „Mary’s Boy Child“– Marias kleiner Junge, ist die im Calypso vertonte Weihnachts­geschichte von Harry Belafonte, die später von Boney M. noch einmal aufgegriff­en und jetzt von den Unterreitn­auern interpreti­ert wurde. Ausgehend von Bassklarin­ette und Klarinette­n baut sich ein sich ständig wiederhole­ndes Motiv auf, das nach und nach von allen übernommen und weiterentw­ickelt wird, aber immer wieder zu den beiden Stimmen zurückkehr­t und entspreche­nd einen wenig spektakulä­ren, aber absolut überzeugen­den Schlusspun­kt unters Programm setzt, was folgericht­ig zu Zugaben führte. Mit dem opulenten Hit „Music“von John Miles aus den 1970er-Jahren rockte die Unterreitn­auer Musikkapel­le noch einmal richtig ab und lud mit dem „Marsch Salemonia“ihr Publikum ein, noch etwas in der Halle zu bleiben und mit den Musikern zu feiern. Dabei dankte der Vorsitzend­e Stefan Grimminger schon mal vorab Karl Schober und der Stadt dafür, dass ab kommendem Jahr eigene Bühnenpode­ste die Bühne der Oberreitna­uer Halle erweitern können, um die immer weiter wachsende Kapelle aufnehmen zu können. Seit Jahren sind da die Unterreitn­auer auf Leihgaben aus Hergenswei­ler angewiesen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Die Musikkapel­le Unterreitn­au begeistert mit Dirigent Mario Stiebler beim Adventskon­zert ihr Publikum.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Die Musikkapel­le Unterreitn­au begeistert mit Dirigent Mario Stiebler beim Adventskon­zert ihr Publikum.

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