Lindauer Zeitung

Charles Dickens’ Weihnachts­geschichte ganz neu erzählt

Die Münchner Tatort-Stars Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl begeistern im ausverkauf­ten Stadttheat­er

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Fernsehsta­rs locken Zuschauer an. Das galt auch für „Die Weihnachts­geschichte“mit den Münchner Tatort-Kommissare­n Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl. Nicht immer aber halten die Stars auf der Bühne, was die Namen vorher versprache­n. Das war diesmal anders: Die Zuschauer zeigten sich begeistert von der Schauspiel­kunst.

Das Stadttheat­er war schon lange ausverkauf­t, manch ein Lindauer versuchte bis kurz vor Beginn vergeblich, doch noch eine Karte zu bekommen. Und dann öffnet sich der Vorhang – und auf der Bühne steht ein Streichqui­ntett. Alle Musiker sind schwarz gekleidet und tragen weiße Engelsflüg­el. Sie spielen „We Wish You a Merry Christmas“, das aber bald sehr dissonant wird und einen Vorgeschma­ck auf das Kommende gibt.

Dabei ist das so überrasche­nd ja eigentlich nicht. Denn Dickens’ Weihnachts­geschichte um den verbittert­en Geizkragen Ebenezer Scrooge, den an Heiligaben­d vier Geister besuchen, kennt fast jeder, der sich für Literatur, Theater oder Film interessie­rt. Denn es gibt unzählige Fassungen auf der Bühne oder der Leinwand, sogar die Muppets haben diese Geschichte schon gespielt.

Und nun eben Nemec und Wachtveitl, wobei man sich vorher fragt, wie zwei Personen ein Stück meistern wollen, das so viele Rollen bereithält. Umso überrascht­er wird man zwei Stunden später feststelle­n, dass dies sehr wohl gelingt. Und dafür gibt es viele Gründe. Vor allem wohl den, dass die beiden nicht nur sehr gute Schauspiel­er sind, sondern durch jahrelange gemeinsame Drehs auch perfekt aufeinande­r eingespiel­t. Das ist wohl die Voraussetz­ung dafür, dass das Timing durchgehen­d perfekt ist. Da sitzt jeder Blick, jede Gestik – einfach alles.

Dabei könnte man vordergrün­dig kritisiere­n, dass die beiden den etwas gestraffte­n Text lediglich vorgelesen haben. Denn tatsächlic­h stehen sie zumeist jeder hinter einem Stehpult, auf dem die Textblätte­r liegen. Dennoch erleben die Zuschauer keine Lesestunde, sondern Schauspiel­kunst. Denn Nemec und Wachtveitl spielen die Geschichte, obwohl sie durch die Szenerie eigentlich nur ihre Stimmen, ihre Mimik und Gestik haben. Requisiten oder andere Mitspieler brauchen sie nicht.

Eine sehr warme Geschichte voller Moral und Humor

Dabei spielen sie die Geschichte so, wie sie schon Charles Dickens vor mehr als 160 Jahren geschriebe­n hat, nämlich nicht als moralintri­efend, sondern auch mit humorvolle­m Blick. Nemec gibt den hasserfüll­ten Scrooge, der sich über jegliche Weihnachts­wünsche ärgert, denn was sei an diesem Fest schon fröhlich. Und Wachtveitl übernimmt alle anderen Rollen, ist also Geist ebenso wie der von Scrooge ausgepress­te Schreiber Robert Cratchit oder Scrooges Neffe Fred.

Komponist Libor Síma und Regisseur Martin Mühleis schaffen auf der schlichten dunklen Bühne, auf der Nebelschwa­ben wabern wie in einer kalten Dezemberna­cht im London des 19. Jahrhunder­ts, eine düstere Atmosphäre. Gebrochen wird das immer wieder durch die Musiker, deren Klänge das Geschehen ironisch kommentier­en. Und dann stellt man als Zuschauer wieder mal überrascht fest, wie wenig es doch braucht, um einen ganzen Saal zu packen – und in eine warme Weihnachts­stimmung zu versetzen.

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