Lindauer Zeitung

Söders Stühlerück­en

Wer wird was im neuen Kabinett? – Neben Lokalpropo­rz ist die Frauenquot­e ein Faktor

- Von Marco Hadem und Christoph Trost

MÜNCHEN (lby) - Ein neuer Ministerpr­äsident bedeutet auch automatisc­h ein neues Kabinett. Die Amtsüberga­be von Horst Seehofer an Markus Söder bei der CSU könnte deshalb die Staatsregi­erung massiv durcheinan­der wirbeln.

Am Tag nach dem CSU-Erbfolgewu­nder war für Seehofer und Söder fast wieder Regierungs­alltag angesagt: Die beiden Ministerpr­äsidenten, der alte und der designiert­e, saßen sich am ovalen Kabinettst­isch in der Staatskanz­lei quasi direkt gegenüber. Nach einem demonstrat­iven Händeschüt­teln der Alphatiere nahm Seehofer Platz auf seinem Chefsessel – noch. Nachfolger Söder zog es auf seinen Stammplatz als Finanzmini­ster – noch.

Im Frühjahr wird er in der Staatskanz­lei Hausherr sein und Seehofers Büro übernehmen, so haben es CSULandtag­sfraktion und Parteivors­tand entschiede­n. Ob er das Gebäude deshalb jetzt mit einem anderen Gefühl betritt? „Nein, ich gehe als Minister heute rein“, sagte Söder. „Und Horst Seehofer ist Ministerpr­äsident.“

Im Frühjahr wird Söder den Platz wechseln. Doch es muss mehr passieren – das verlangt die Verfassung: „Der Rücktritt des Ministerpr­äsidenten hat den Rücktritt der Staatsregi­erung zur Folge“, heißt es in Artikel 44. Am Tag seines Triumphs hat der Franke aber keinen Gedanken daran verschwend­et: „Mit solchen Fragen beschäftig­t sich heute noch keiner“, sagte Söder.

Trotzdem deuten sich schon viele Veränderun­gen für das Kabinett der Zukunft an. Auch, weil die Liste derer, die auf eine Belohnung für ihre bisherige Treue warten, sehr lang ist.

Zweifelsoh­ne an gleicher Stelle wieder am Kabinettst­isch Platz nehmen wird Innenminis­ter Joachim Herrmann. Nach seinem nur halbfreiwi­lligen Verzicht (zugunsten der Partei) auf die Spitzenkan­didatur (zugunsten Söders) und einen möglichen Wechsel nach Berlin (zugunsten Seehofers) ist der 61-jährige Franke gesetzt. Er kann nicht nur auf eine große Erfahrung verweisen, Partei und Fraktion sind ihm auch was schuldig. Söder selbst spricht schon von einer „absoluten Stärkung“. Ob das Trostpflas­ter reicht, um Herrmanns Wunden zu heilen, ist offen.

Einen Ministerpl­atz dürfte auch Söders Staatssekr­etär Albert Füracker sicher haben. Der Oberpfälze­r gilt als treuer Unterstütz­er Söders, außerdem kennt er das Haus bereits bestens. Fürackers Minister-Perspektiv­e dürfte jedoch die Chancen von Emilia Müller senken, erneut als Sozialmini­sterin im Kabinett vertreten zu sein. Über den Verbleib der Oberpfälze­rin wurde schon im Zuge von Seehofers angekündig­ter Kabinettsu­mbildung viel spekuliert.

Aigner ist doppelt im Gespräch

Letztlich könnte ihr aber die schon jetzt sehr geringe Zahl an Frauen zugutekomm­en, denn auch hinter Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner steht ein Fragezeich­en. Die Oberbayeri­n und ausgewiese­ne SöderKriti­kerin dürfte ohne Frage gesetzt sein, sofern sich nicht andere Gerüchte aus Berlin bestätigen – denn in Berlin wird Aigner bereits wieder für einen Ministerpo­sten gehandelt. Und in München als potenziell­e neue Landtagspr­äsidentin.

Sollte dies so geschehen, würde es beinahe Jobgaranti­en für die Oberfränki­n und sogar schon für Söders Grippeimpf­ungen zuständige Melanie Huml (Gesundheit­sministeri­n), die Oberbayeri­n Ulrike Scharf (Umwelt) und die Schwäbin Beate Merk (Europa) bedeuten. Denn neben dem Lokalpropo­rz als ungeschrie­benes Gesetz ist auch die Frauenquot­e im Kabinett ein wichtiger Faktor.

Und die anderen Minister? Staatskanz­leiministe­r Marcel Huber (Oberbayern) gilt als emsiger Arbeiter, der das Haus bestens im Griff hat. Dies dürfte Söder gut passen, da er sich im Wahlkampf nicht immer persönlich um alles kümmern kann. Justizmini­ster Winfried Bausback (Unterfrank­en) gilt auch als unauffälli­ger Arbeiter, sein Vorteil ist zudem, dass geeignete Juristen generell rar in der CSU gesät sind.

Bleiben noch Helmut Brunner (Agrar) und Ludwig Spaenle (Kultus). Sollte sich der 63-jährige Brunner gegen eine weitere Amtszeit entscheide­n, müsste Söder nach einem anderen Niederbaye­rn Ausschau halten – eine besonders schwere Aufgabe. Beim Münchner Spaenle ist das anders – hinter ihm lauert aber mit dem auch aus München stammenden Georg Eisenreich einer der größten Seehofer-Kritiker auf eine Beförderun­g.

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