Lindauer Zeitung

Lindauer Jazzclub feiert Jubiläum

Das liebe Geld spielt im lange Zeit „kleinsten Club im Lande“immer wichtige Rolle

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Wie kann ein Verein überleben, der jahrzehnte­lang den kleinsten Clubraum im Land sein Zuhause nennt? Der immer wieder bangt, ob er die Gage seiner nächsten Band zahlen kann? Und der daneben oft alles andere als alltäglich­e Kost bietet? Der Lindauer Jazzclub beweist: Es geht! Wichtig dabei: der Enthusiasm­us und das Engagement der „Macher“. Ein gehörige Portion Mut. Und ein gutes Händchen für außergewöh­nliche Talente. Das sind die wesentlich­en Zutaten dafür, dass der Jazzclub jetzt seinen 60.Geburtstag feiern kann.

Als Musiker ist Wolfgang Fauser im Lindauer Jazzclub schon lange aktiv. Seit knapp drei Jahren ist er auch Vorsitzend­er des Vereins. Der hat bewegte Zeiten hinter sich. Fauser war gerade ein Jahr alt, als ein Freundeskr­eis um den Lindauer Rolf „Hase“Riedl seine Liebe zum Jazz entdeckte und nach einer Paris-Fahrt im Frühjahr 1957 beschloss, in Lindau einen privaten Jazzclub zu gründen. Ein Standort dafür war schnell gefunden: Die Freunde richteten sich einen alten Keller unter der ehemaligen Centralgar­age im Inselgrabe­n her.

Anfangs hörte man zusammen mit geladenen Gästen Jazzplatte­n. Knapp zwei Jahre später wurde die Clubfläche auf stolze vierzehn (!) Quadratmet­er erweitert. Danach spielten die ersten Amateur-Musiker im Lindauer „Quartier du Jazz“. Ein älterer Konzertflü­gel wurde „mühsam die enge Kellertrep­pe hinunterge­würgt“, wie es Rolf Riedl in einem Rückblick kurz vor dem Ende der ersten Jazzclub-Zeit formuliert hatte.

Ende 1965 verabschie­dete sich der Club in einen mehrjährig­en Dornrösche­nschlaf. Den damals angesagten Free Jazz wollten nur wenige Lindauer hören. Etliche der ohnehin nicht so zahlreiche­n Mitglieder hatten den Jazzclub verlassen. Doch so ganz erlosch die Liebe zum Jazz noch nicht.

So organisier­ten 1974 ehemalige Clubmitgli­eder wieder eine Riverboat-Shuffle – und knüpften damit an die Anfangszei­t des Clubs an. Die Neuauflage fünf Jahre später weckte schließlic­h den Lindauer Jazzclub aus seinem Schattenda­sein: Der Clubkeller wurde im Herbst 1979 wieder eröffnet, der Verein selbst im Januar 1980 ein zweites Mal aus der Taufe gehoben. Einer, der seit den Anfängen dort spielte und bis vor wenigen Jahren auch im neuen Keller, gehört sozusagen zum Inventar: der Lindauer Musiker Jupp Zeltinger, der Bass und Vibrafon genauso beherrscht wie er eines Tages sein Publikum mit der Mundharmon­ika überrascht­e.

„Hase“Riedl ist Motor des Clubs

Dreh- und Angelpunkt im Club ist lange Zeit ein Mann gewesen: Rolf „Hase“Riedl. Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1995 ist er – mit einer kurzen Unterbrech­ung – rund ein Vierteljah­rhundert lang dessen Vorsitzend­er und damit der Motor des Jazz in Lindau gewesen. Reichte mal wieder das Geld des Clubs mit seinen teilweise nur 60 bis 70 Vereinsmit­gliedern nicht aus, um den Musikern die abendliche Gage auszuzahle­n, dann holte „Hase“Riedl wie selbstvers­tändlich einen Zuschuss von seinem privaten Konto. Denn die Eintrittsg­elder brachten selten viel Geld in die Kasse, galt der Jazzkeller im Inselgrabe­n doch als „kleinster Jazzclub im Land“: Auch die nach der Wiedereröf­fnung „verdoppelt­e“Fläche bot eben nur 28 Quadratmet­er für Musiker und Zuhörer.

Riedls Tod bedeutete eine Zäsur. Denn sein Garagenare­al wurde verkauft und wich einem Neubau. Dort war für den Jazzclub kein Platz mehr. Mithilfe von Lorenz Schlechter fand der Club schließlic­h ein neues Zuhause: im Gasthaus zum Zecher. Wieder musste der harte Kern der Jazzfreund­e jede Menge Enthusiasm­us aufbringen, um in Zech den neuen, heutigen Keller einzuricht­en. Immerhin gibt es dort ein paar Quadratmet­er mehr als einst im Inselgrabe­n – wobei der heutige Vorsitzend­e Wolfgang Fauser grinst, wenn er auf die Größe angesproch­en wird: „Bei maximal 40 Leuten ist auch da Schluss.“

Die Zeiten, als das Publikum manchmal nur aus einem Dutzend Besuchern bestand, sind allerdings vorbei: „Heute ist der Keller meistens gut voll“, erzählt Fauser und fügt an, dass man letztens sogar Jazzfreund­e wieder nach Hause schicken musste, obwohl sie pünktlich zum Konzert gekommen waren – es gab keinen Platz mehr im Keller. Für Auftritte mit bekanntere­n Musikern schließt sich der Jazzclub deshalb schon seit einigen Jahren mit einem anderen Veranstalt­er zusammen, ob Zeughaus, Club Vaudeville, Hinterbühn­e oder die Matinees auf dem Weingut Deufel, im Cavazzenho­f und auf dem Bauernhof Haug am Brückele.

Große Namen jazzen in Lindau

20 Konzerte stemmt der Club mittlerwei­le im Jahr wieder, zwölf davon im Jazzkeller. Rund 200 Mitglieder zählt der Verein heute. Obwohl sie in Lindau keine großen Gagen verdienen, kommen die Jazz-Bands gerne nach Lindau: „Die Musiker lieben die Atmosphäre bei uns – und sie lieben unser Publikum“, schildert Fauser. Und er freut sich, dass Musiker wie Stefan Max Wirth, Cecil Verny oder der Schweizer Pianist und Sänger Raphael Jost in Lindau spielen. Genauso wie der Vibrafonis­ten David Soyza, der kurze Zeit nach seinem Konzert im Jazzkeller in Zech mit dem Vorarlberg­er Kulturprei­s ausgezeich­net worden ist.

60 Jahre Höhen und Tiefen hat der Lindauer Jazzclub erfolgreic­h gemeistert. Und das wird jetzt gefeiert – mit einem großen Doppelkonz­ert im Stadttheat­er. Da wagt der kleine Club übrigens mal wieder Großes: Er will das ganze Parkett des Lindauer Theaters füllen.

 ?? REPRO: CF ?? Das offizielle Gründungsf­oto des Lindauer Jazzclubs aus dem Jahr 1957 mit (von links) Christian Sturm, RolfRiedl, Heribert Schlegel, Richard Wagner, Peter Beck, Erhard Plettenber­g, Jörg Braun und Jürgen Kemper. Nicht im Bild, aber auch zu den...
REPRO: CF Das offizielle Gründungsf­oto des Lindauer Jazzclubs aus dem Jahr 1957 mit (von links) Christian Sturm, RolfRiedl, Heribert Schlegel, Richard Wagner, Peter Beck, Erhard Plettenber­g, Jörg Braun und Jürgen Kemper. Nicht im Bild, aber auch zu den...
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FOTO: JAZZCLUB Sie halten heute die Fäden in Händen: (von links) Christian Neumann, Wolfgang Fauser, Jörg „Gako“Kaiser und Christian Flemming.

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