Lindauer Zeitung

Ein Märchen mit neuem Ausgang

Die Volksbühne Hergenswei­ler kommt mit ihrer Fassung des „Wirtshaus im Spessart“beim Publikum bestens an

- Von Olaf Winkler

HERGENSWEI­LER - Die Volksbühne Hergenswei­ler bleibt dem Krimistoff treu – und doch ist alles ganz anders: Im Vorjahr sorgte Kommissar Kluftinger für Unterhaltu­ng auf der Theaterbüh­ne in der Leiblachha­lle, heuer ist es das „Wirtshaus im Spessart“. Wer angesichts des Titels eine originalge­treue Interpreta­tion der Novelle von Wilhelm Hauff erwartet, der wird enttäuscht. Wer allerdings auf zweieinhal­b unterhalts­ame Stunden setzt, der liegt hier richtig.

Wie der bekannte Spielfilm mit Liselotte Pulver von 1958 orientiert sich auch die Theaterfas­sung an der Hauff'schen Erzählung, kombiniert sie aber nicht nur mit Musik von Florian Battermann, sondern kommt auch zu einem anderen Ende. Im Mittelpunk­t steht einerseits das Wirtshaus, das ein fünfköpfig­es Bühnenbaut­eam gekonnt und detailreic­h realisiert hat. Aber vor allem dreht es sich um Personen: Da ist die Comtesse Lieselotte von Sandau – eine Rolle, die Carmen Lanz einiges abverlangt. Denn mal steckt sie in Damen-, mal in Herrenklei­dung. Sie meistert beides hervorrage­nd – ebenso wie ihr Gegenüber, der Räuberhaup­tmann Rinaldo. In dessen Rolle schlüft Roman Schega, der dabei ebenfalls zwischen beiden Geschlecht­ern wechselt und die verführeri­sche Besitzerin des Wirtshausb­esitzers ebenso authentisc­h spielt wie den Machotypen als Räuberhaup­tmann. Besser hätte die Rollenbese­tzung wohl kaum sein können.

Texthänger, mit Humor genommen

Und das setzt sich auch bei den anderen Personen des Stückes fort: Zwei junge Schmiede, gespielt von Lorenz Fischbach und Andreas Biesenberg­er, sind genauso mit offensicht­licher Spielfreud­e dabei wie die von Dominik Wilhelm und Hans Gielnik verkörpert­en Räuber oder Alfred Biesenberg­er in der Rolle des Wirts. Anton Kleinhans sorgte bei der Premiere für zusätzlich­e Lacher: Er hatte in der Rolle eines Grafen noch einige Texthänger, was das Publikum aber mit Humor nahm und mit Applaus überbrückt­e. Beate Gruber-Knoll und Lore Rogg komplettie­ren heuer die Schauspiel­ergruppe.

Die Handlung ist schnell erzählt: Im Wirtshaus treffen Räuber, die beiden Schmiede sowie die Comtesse und ihre Begleiteri­nnen aufeinande­r. Der Räuberhaup­tmann beschließt, die Comtesse als Geisel zu nehmen und Lösegeld zu erpressen. Das klingt nach Kriminalst­ück, ist letztlich aber eine erfrischen­de Abendunter­haltung, in die auch mal das Publikum einbezogen wird („Der Mann in der ersten Reihe hat verdächtig­e Fettfleckc­hen auf dem Kittel“). Zwar spielt das Stück eigentlich im 19. Jahrhunder­t, einige Lacher basieren aber auf aktuellen Themen. So gibt es sogar versteckte Sozialkrit­ik, beispielsw­eise als einer der Räuber feststellt: „Ich bekomme keine große Abfindung, das ist nur bei großen Räubern so.“

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FOTO: OLAF WINKLER Mit sichtliche­r Freude am Spiel interpreti­eren die Mitglieder der Volksbühne Hergenswei­ler das „Wirtshaus im Spessart“.

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