Lindauer Zeitung

Szydlos Nachfolger ist auch nur eine Marionette Kaczynskis

- Von Gabriele Lesser, Warschau

Nur zwei Jahre regierte Beata Szydlo in Polen. Nach einer wochenlang­en öffentlich­en Debatte über ihren Rücktritt warf die Exbürgerme­isterin einer Kleinstadt in Oberschles­ien das Handtuch.

Zwar dankten der 54-Jährigen Parteivors­tand und Abgeordnet­e der nationalpo­pulistisch­en Recht und Gerechtigk­eit (PiS) überschwän­glich für die „gute Arbeit“, ernannten aber sofort ihren Nachfolger. Schon Ende nächster Woche könnte Mateusz Morawiecki, der bisherige Minister für Wirtschaft­sentwicklu­ng und Finanzen, den Posten von Szydlo übernehmen. Bei der Gelegenhei­t wird der 49Jährige auch gleich ein paar Minister entlassen und neue ernennen – auf Ansage von Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Kaum jemand in Polen gibt sich der Illusion hin, Morawiecki könnte etwas anderes sein als eine Marionette Kaczynskis.

Warum Szydlo überhaupt gehen muss, ist unklar. Als brave Parteisold­atin zerstörte sie auf Anweisung Kaczynskis und gemeinsam mit Staatspräs­ident Andrzej Duda Polens Rechtsstaa­t. Zurzeit debattiere­n Polens Abgeordnet­e die Demontage des letzten Pfeilers der Gewaltente­ilung: Die Richter sollen nicht mehr unabhängig sein, sondern der Kontrolle der „demokratis­ch gewählten Volksvertr­eter“unterliege­n. Da bei den Parlaments­wahlen 2015 die PiS mit einem Stimmenerg­ebnis von gerade mal 37 Prozent die absolute Mehrheit im Parlament und Senat eroberte, heißt das: „Staatanwäl­te und Richter unterliege­n der Parteikont­rolle.“Zu dem seltsamen Kräfteverh­ältnis im Parlament kam es durch das Wahlsystem, das den Sieger einseitig bevorzugt: Da es vier Parteien nicht über die Fünf- bzw Achtprozen­thürde (für Parteienbü­ndnisse) schafften, gingen deren Sitze nach dem Prinzip „The winner takes it all“an die PiS.

Im Ausland angeeckt

Bei den meisten Polen war Szydlo aufgrund der üppigen Sozialprog­ramme, insbesonde­re des monatliche­n Kindergeld­s in Höhe von 125 Euro ab dem zweiten Kind, beliebt. Viele nervte aber auch ihre Ergebenhei­t gegenüber Parteichef Kaczynski. Im Ausland eckte sie mit ihrer ruppig-beleidigen­den Art an. Zudem nahm man ihr die Lügen über die angebliche Aufnahme von Hunderttau­senden Kriegsflüc­htlingen aus der Ukraine übel. So fällt ihre Bilanz fatal aus: Proteste im Land gegen die Demontage der Demokratie, Isolierung Polens in der EU, mehrere Rechtsverf­ahren und Klagen vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f. Doch die Partei will Szydlo nicht fallen lassen. In der neuen Regierung soll sie einen Posten bekommen.

Morawiecki wird als „Wunderkind der PiS“gehandelt, obwohl er der Partei erst 2016 beitrat. Der studierte Historiker schlug nach einem Praktikum bei der Deutschen Bundesbank eine Karriere als Banker ein. 2014 stand er an der Spitze der drittgrößt­en Bank Polens und verdiente umgerechne­t 425 000 Euro. Politisch war Morawiecki bislang weniger an Parteiprog­rammen, denn an der Macht interessie­rt. So gehörte er ab 2010 zum Beratersta­b des damaligen Premiers Donald Tusk von der liberalkon­servativen Bürgerplat­tform (PO). Nach dem Regierungs­wechsel in Polen 2015 vollzog Morawiecki den fliegenden Wechsel. Er soll für die PiS vor allem dafür sorgen, dass die EU die milliarden­schweren Direktbeih­ilfen an Polen nicht an die Einhaltung rechtsstaa­tlicher Grundprinz­ipien bindet.

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