ZF-Belegschaft wünscht sich Ruhe
Nach Rückzug des Konzernchefs haben Mitarbeiter geteilte Meinungen zur Situation – Sommer schreibt Abschiedsmail
FRIEDRICHSHAFEN - Einen Tag nach dem Rückzug von ZF-Chef Stefan Sommer aus dem Häfler Konzern ist die Nachricht Gesprächsthema Nummer eins bei der Belegschaft. Umgekehrt hat sich auch Sommer vor seinem Aus noch einmal an die Konzernmitarbeiter gewendet – in einem persönlichen Brief.
Freitagmittag, 12 Uhr. In der Kantine vor dem ZF-Werk 1 herrscht normaler Betrieb – die Tische nicht voll, aber gut besetzt. Worüber hier oft gesprochen wird, ist klar: Nachdem am Vorabend bekannt wurde, dass Konzernchef Sommer das Unternehmen mit sofortiger Wirkung verlässt, endet für die Belegschaft eine Phase wochenlanger Ungewissheit. Aus der Spekulation um Sommers Abgang wurde Wirklichkeit. Die Meinungen dazu sind geteilt.
„Die ZF wird schon wissen, warum sie die Entscheidung getroffen hat. Und sie wird auch weiter gute Entscheidungen treffen“, sagt einer beim Verlassen der Kantine und lobt damit den durchaus umstrittenen Wechsel in der Chefetage. Doch schon der nächste Kollege scheint das anders zu sehen: „Ungut!“, ruft er, als er die Drehtür zum Werk 1, dem besonders traditionsreichen Standort in der Stadt, passiert.
Ein weiterer Kantinenbesucher formuliert diesen Gedanken: „Es sind eigentlich eher schlechte Nachrichten. Jetzt wird natürlich viel darüber geredet und versucht, die Zukunft vorauszusehen. Es muss jetzt aufgeklärt werden, was passiert ist. Und dann brauchen wir wieder klare Strukturen im Vorstand“, sagt er. Trotzdem will er zuversichtlich bleiben und sagt, er fühle sich noch wohl im Unternehmen. Trotz gemischter Meinungen scheint das ZF-Personal Sommers Fortgang mit einer spürbaren Unerschrockenheit zu tragen. „Es hat sich gar nicht soviel verändert, wie man meint. Die Konzernführung hat sich verändert und wird sich auch noch verändern. Das werden wir in den Griff bekommen“, sagt ein weiterer Mitarbeiter. Ein Kollege sieht das ähnlich: „Uns trifft das jetzt nicht so. Wir hatten keine Probleme mit Herrn Sommer, und ich hoffe, dass er auch in Zukunft Erfolg hat. Ich bin seit zwölf Jahren hier. Es läuft gut, und die Auftragslage ist nicht schlecht. Hoffentlich geht es auch in Zukunft so weiter.“
Wenn sich die Meinungen an der Kantine auf einen Nenner bringen lassen, dann vereinen sie wohl im Wunsch der Belegschaft nach Ruhe: „Es ist auf jeden Fall gut, dass jetzt Ruhe in das ganze Thema reinkommt. Ob die Entscheidung aber gut oder schlecht ist, das wird sich erst noch zeigen“, ruft ein Mann mit blauem Regenschirm, ehe er zurück an die Arbeit geht.
Gestalter statt Getriebene
Dort dürfte er spätestens am Morgen den persönlichen Brief gelesen haben, den Ex-Chef Sommer zum Abschied im ZF-Intranet verbreitet hat. „Noch vor kurzem habe ich Ihnen versichert, dass ich gerne mit Ihnen zusammen die Zukunft von ZF gestalten möchte“, schreibt der ausgeschiedene Konzernchef darin an die Mitarbeiter. „Umso schwerer fällt es mir, mich heute von Ihnen zu verabschieden. Die Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen, ist mir nicht leicht gefallen, denn die Zusammenarbeit mit Ihnen hat mir in den vergangenen Jahren viel Freude bereitet. Der gemeinsame Erfolg war Ihnen und mir dabei ein wichtiger Antrieb und man darf sagen, dass wir viel erreicht haben“, so Stefan Sommer weiter.
ZF sei heute ein „Global Player“mit Technologien, die man dem Konzern vor drei Jahren nicht zugetraut hätte. Das sei der gemeinsame Verdienst aller Mitarbeiter.
Doch neben dem Dank an die Mitarbeiter konnte Sommer sich wohl auch einen Seitenhieb in Richtung seiner Kritiker nicht verkneifen. Die Herausforderungen seien für ZF weiterhin dieselben, schreibt er: Digitalisierung, Globalisierung und die Transformation einer ganzen Branche. „Der Vorstand und ich haben immer gesagt, dass ZF diesen Wandel gestalten soll, anstatt von ihm getrieben zu werden“.
Sommer sah sich selbst als Gestalter des Wandels.