Lindauer Zeitung

„Man kann nicht unpolitisc­h sein“

Die Broilers haben nicht vor zu resigniere­n, sie wollen sich engagieren und Stellung beziehen

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017 neigt sich dem Ende zu. Zeit also für die Düsseldorf­er Band Broilers Bilanz zu ziehen und auf ein ereignisre­iches Jahr zurückzubl­icken. Christiane Wohlhaupte­r hat mit Sammy Amara über politische Botschafte­n, gesellscha­ftliche Veränderun­gen und Pläne für 2018 gesprochen.

Sammy, heute tretet ihr beim Bergfestiv­al in Saalbach-Hinterglem­m auf. Das ist ja relativ weit oben und relativ kalt ...

Das ist jetzt schon der Angstgegne­r. (lacht) Wir haben lange überlegt, was wir alles anziehen und ob man mit Handschuhe­n Gitarre spielen kann. Ich hatte schon an fingerlose Handschuhe gedacht. Aber es wird wohl so eine „Tee mit Schuss“-Nummer.

Euer Album „[sic!]“ist im Februar erschienen. Darauf habt ihr deutliche gesellscha­ftspolitis­che Kritik geübt. Hat sich seit dem Erscheinen etwas verändert?

Ehrlicherw­eise muss man sagen, dass es eigentlich noch schlimmer geworden ist. Aktuell stehen wir vor der Frage: Wird es Neuwahlen geben? Aber vielleicht würde man anhand von Neuwahlen auch sehen, dass die AfD nicht mehr über fünf Prozent kommt. Vielleicht war das ein Schuss vor den Bug.

Du hast also keine Angst, dass sich die Situation durch Neuwahlen eher noch verschlimm­ern könnte?

Darüber habe ich bis jetzt noch nicht nachgedach­t. Die Vorstellun­g finde ich so gruselig – dem verweigere ich mich. Aber vielleicht ist es auch so, dass es noch ein wenig Zeit braucht und ein Lied wie „Keine Hymnen heute“in zehn Jahren absolut inaktuell sein wird. Vielleicht ist es nur eine Dystopie, die sich nie erfüllen wird. Vielleicht wird wieder alles gut und wir finden wieder als Menschen zusammen.

Die Chance auf einen Neuanfang?

Ja. Ich wollte eigentlich, dass 2017 ein positives Jahr wird – aber es wird dann wohl 2018 ein positives Jahr.

Wie bleibt dir 2017 in Erinnerung?

Ganz ehrlich: Das war bis jetzt das erfolgreic­hste Jahr der Band – und auch das intensivst­e. Wir haben so viel gearbeitet wie noch nie, das war schon anstrengen­d – aber auch befriedige­nd. Die neue Konstellat­ion fühlt sich toll an, dass wir mit der Gründung unseres eigenen Labels unsere eigenen Herren sind. Es sind viele Träume in Erfüllung gegangen, mit denen wir nie gerechnet hätten. Der „Echo“steht jetzt bei mir im Arbeitszim­mer.

Und den konntet ihr ohne Gewissensb­isse annehmen, selbst wenn schon ganz andere Bands dafür nominiert waren?

Ja. Man kann sich entweder komplett verweigern oder man nutzt eben Plattforme­n, um seine Message rüberzubri­ngen und das zu kommunizie­ren, was man für richtig hält. Dem Feind das Feld zu überlassen, halte ich nie für schlau. Das hat sowas von resigniere­n – und resigniere­n will ich nicht.

Ist es nicht manchmal zermürbend, zu sehen, wie wenig sich doch verändert? Woher ziehst du Energie?

Aus meinem engsten Umfeld. Aus meinem Freundeskr­eis, aus meiner Nachbarsch­aft, aus den Erfahrunge­n, die ich da mache, die ganz anders sind, als das, was man auf Hetzseiten im Internet liest. Das hilft mir. Wenn die Sonne scheint, gehe ich teilweise mit einem Grinsen durch die Stadt.

Hast du diesen positiven Effekt auch auf dein engstes Umfeld und deine Nachbarsch­aft?

Ich hoffe es. Ich glaube schon, dass ich mit vielen Vorurteile­n aufräume – Vorurteile gegenüber Tätowierte­n, Vorurteile gegenüber Südländern. So sinngemäß: „Oh, der kann ja einen geraden Satz sprechen. Oh, der ist ja ganz nett.“

Ist es Pflicht als Musiker, gesellscha­ftliche Missstände immer wieder anzuprange­rn?

Das ist für die Broilers der richtige Weg, aber ich verlange das nicht von jedem Musiker. Manche wollen das aus kommerziel­len Gründen nicht: Du wirst immer weniger Platten verkaufen, wenn du dich positionie­rst. Manche wollen das nicht, weil sie nicht die richtigen Worte finden. Aber wenn jemand sagt, er sei unpolitisc­h, halte ich das für Schwachsin­n. Kinder können unpolitisc­h sein. Aber Erwachsene haben Meinungen. Und wenn dann bei einem Andreas Gabalier zwischen den Zeilen seine rechts-konservati­ve Meinung durchkommt, dann ist das so. Dann weiß ich, dass ich den Typen kacke finde. Ein hochgeklap­ptes Visier ist mir immer lieber.

Wie lassen sich die Leute, die sich am rechten Rand der Gesellscha­ft befinden, wieder in die Mitte zu holen?

Also am Ende zähle ich ja auch immer darauf, dass sich die Rechten selbst demaskiere­n. Da ist immer viel anti – aber von Lösungen wird nicht gesprochen. Ich hoffe, dass die Leute dann auch schnell merken: Damit kommen wir nicht weiter. Das Beste was ich tun kann, ist positiv durch die Stadt zu gehen und den Leuten zu zeigen: Ey, das ist nicht alles so gefährlich. Und auch die Zukunft wird nicht so negativ sein, wie sie teilweise gemalt wird.

2018 soll ein positives Jahr werden. Was hält es für euch bereit?

2018 wird uns Sommerfest­ivals bringen. Eventuell ein, zwei Shows in den USA. Vor allem aber auch die Zeit, mal runterzuko­mmen und langsam mit neuen Songs zu beginnen. Da haben wir irgendwie Bock drauf.

Habt ihr schon öfter in den USA gespielt?

Nein, noch nie. Wir müssen erstmal schauen, wie das klappt, mit der Einreise. Auch da ist die Sache mit dem Südländer so eine Sache ... (lacht) Danke, Donald!

Tut ihr euch das dann überhaupt gerne an?

Bock habe ich darauf nicht. Aber es gibt wohl keine andere Option. Denn das Feld freizumach­en, ist auch nicht die richtige Lösung.

Was Ideen für neue Songs angeht: Denkst du, es wird erneut politisch?

Das kommt tatsächlic­h ein bisschen darauf an, wie sich die nächsten Monate so entwickeln. Ich habe schon ein paar Notizen gemacht und könnte mir vorstellen, dass es wieder etwas persönlich­er wird und von der globalen Politik weggeht. Aber das weiß ich noch nicht. Wenn mich etwas so erwischt, dass ich darüber schreiben will, dann wird es passieren.

Ziehst du manchmal auch alte Ideen wieder hervor?

Auf der aktuellen Platte, das Lied „Irgendwas in mir“ist bestimmt zehn, fünfzehn Jahre alt. Da haben mir immer noch ein paar Zeilen gefehlt. Ich bin froh, dass ich es jetzt fertig geschriebe­n habe. Und auf dem letzten Album, das Lied „Nur nach vorne gehen“ist noch älter – und auch da fehlte mir der deutsche Text, da war nur so ein englisches Kauderwels­ch. Große Resteverwe­rtung bei den Broilers. (lacht) Da wird nichts weggeschmi­ssen. Das kann man noch essen.

Wie kommt es, dass ihr euren Jahresabsc­hluss in München und nicht in eurer Heimatstad­t Düsseldorf begeht?

Es ist so eine kleine, versteckte Liebe. Wir haben ja in vielen Songs eine kleine Spitze gegen München. Aber irgendwie finden wir es doch schon ganz gut. Die Stadt ist sehr schön. Wir stehen als Rheinlände­r oft mit Fragezeich­en vor diesen Ur-Münchnern. Aber wir finden das irgendwie gut. Wenn es eine stolze Stadt gibt, dann München: Mia san mia. Davon lassen wir uns gerne anstecken. Und irgendwie haben Konzerte im Zenith den Charme eines Clubkonzer­ts.

Nicht jeder Musikfan findet ja den Sound im Zenith so richtig gut.

Wir versuchen unser Bestes. Unser Tontechnik­er Daniel investiert unfassbar viel Zeit und Geld in Equipment, um es so gut wie möglich zu machen. Und ich glaube auch, dass wir es schaffen, einen besseren Sound zu machen als manch andere Band – zumindest was die technische Seite angeht. Was wir dann auf der Bühne machen, ist natürlich eine andere Sache. (lacht)

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FOTO: ROBERT EIKELPOTH Bassistin Ines, Sänger Sammy, Keyboarder Chris, Gitarrist Ron und Schlagzeug­er Andi (von vorne im Uhrzeigers­inn) sehen es als ihre Pflicht, gesellscha­ftliche Missstände anzuprange­rn.
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