Lindauer Zeitung

Kampf dem Gewackel

Actionkame­ras für Sportvideo­s: Die Auswahl ist riesig, die Robustheit aber oft nicht perfekt

- Von Julia Ruhnau

MÜNCHEN (dpa) - Lange schien es nur den Hersteller GoPro zu geben, dessen Unternehme­nsname für viele zum Synonym für Actioncams geworden ist. Doch längst erweitern Modelle verschiede­nster Marken von Sony über Rollei oder Ricoh bis hin zu Panasonic das Angebot. Außerdem gibt es Niedrigpre­is-Produkte aus China, die teils für knapp 100 Euro zu haben sind. „Actioncams unterschei­den sich gegenüber klassische­n Digitalkam­eras und Camcordern vor allem in zwei Punkten“, sagt Moritz Wanke vom „Chip“-Magazin: Objektiv und Robustheit.

„Actioncams nutzen in fast allen Fällen ein Ultra-Weitwinkel­objektiv“, erläutert Wanke. So zeichnen sie möglichst viel von der Umgebung auf, je nach Modell bis zu 180 Grad, manche auch mit Rundumblic­k. So muss man nicht allzu sehr auf den Bildaussch­nitt achten, wenn man in vollem Tempo durch den Puderschne­e wedelt. Wer die Kamera nur in die richtige Richtung hält, hat das Wichtigste drauf.

Ohne optischen Zoom

Dafür müssen Actionfilm­er andere Abstriche machen. Die Geräte haben keinen optischen Zoom. Und durch die Weitwinkel­linse entsteht der Fischaugen­effekt, die Linien sehen am Rand des Bildaussch­nittes extrem verzerrt aus. Ein Tipp fürs Filmen daher: zentrale Motive in die Mitte. Dann erscheinen die Proportion­en einigermaß­en realistisc­h.

Vorteile bieten die sportliche­n Kameras beim Gehäuse. Das steckt Stürze ebenso gut weg wie Sand oder Spritzwass­er. Mit vielen Modellen kann man abtauchen, teilweise sogar ohne zusätzlich­es Schutzgehä­use. „Wir lassen die Kameras aus einem Meter Höhe auf Beton oder eine Wasserober­fläche fallen und machen einen Kältetest bei minus zehn Grad“, erzählt Sandra Schwarz von der Stiftung Warentest. Erkenntnis aus den Robustheit­sprüfungen: „Die halten das ziemlich gut aus.“

Deutlicher unterschei­den sich die Kameras bei der Bildqualit­ät. „Mit Gegenlicht haben viele Probleme“, sagt Schwarz. Gleiches gelte für wenig Licht. Hier macht sich auch die abgespeckt­e Ausstattun­g Kompaktkam­eras im Vergleich zu anderen Kameras oder Camcordern bemerkbar. Oft lassen sich nur ISO-Wert oder Weißabglei­ch manuell regeln. Auch das Fokussiere­n fällt wegen der Festbrennw­eite weg. Alles, was weiter entfernt ist als der Schärfepun­kt, verschwimm­t. „Im Hintergrun­d hat man nur noch Brei“, sagt Schwarz.

Was die Auflösung angeht, bieten inzwischen die meisten Hersteller Ultra-HD, auch als 4K bekannt. „Das entspricht der vierfachen Auflösung von Full-HD und bedeutet für die Praxis mehr Details und höhere Schärfe“, erklärt Wanke. Allerdings geht dadurch auch viel Speicher und Akkuleistu­ng drauf. Eine weitere Kennzahl ist die Bildrate: Je mehr Bilder pro Sekunde, desto flüssiger wird die Aufnahme nachher abgespielt, vor allem bei Slow-Motion-Wiedergabe. Testerin Schwarz weist allerdings darauf hin, dass man sich hier nicht unbedingt auf die Angaben der Hersteller verlassen kann.

Wichtiger als Auflösung und Bildrate sei ein wirkungsvo­ller Verwacklun­gsschutz, betont Schwarz. Sonst erkennt man etwa von der rasanten Downhill-Fahrt im Nachhinein nur wildes Durcheinan­der. Deshalb braucht es einen leistungsf­ähigen Bildstabil­isator, der auch das Geruckel auf der Mountainbi­ke-Piste ausgleicht. „Bei manchen Videos wird einem sonst schon beim Zusehen schlecht“, sagt Schwarz. Da die Hersteller meist keine Kennzahlen zum Bildstabil­isator angeben, sind Nutzer hier auf Testberich­te oder eigene Probefilme angewiesen.

Und wie soll das eigentlich gehen mit dem Filmen, wenn man mit vollem Karacho durch die Landschaft prescht, seine ganze Konzentrat­ion und vor allem beide Hände zum Lenken braucht? „Angefangen bei klassische­n Klebehalte­rungen über spezielle Klemmhalte­rungen für Motorund Fahrradlen­ker bis hin zu Brustgurte­n und Tiergeschi­rr steht für jede Gelegenhei­t das Passende bereit“, zählt Wanke die Befestigun­gsoptionen für Actioncams auf. Schwarz rät, beim Kauf auf das beiliegend­e Zubehör zu achten. Überrasche­nd: „Oft haben die preiswerte­n Modelle das meiste Zubehör dabei.“Darüber hinaus unterschei­den sich die Kameras in den Details der Ausstattun­g. Manche bieten zusätzlich­e Anzeigen wie Barometer oder Geschwindi­gkeitsmess­er, Zeitraffer und Zeitlupena­ufnahme oder Fotofunkti­on, weiß Constanze Claus vom Photoindus­trie-Verband. Steuern lassen sie sich entweder über eingebaute Bildschirm­e, Fernbedien­ungen oder per App auf dem Smartphone. Neuere Modelle funktionie­ren zunehmend per Sprachsteu­erung, wodurch man die Hände frei und keine Probleme mit der Bedienung hat – etwa mit den dicken Snowboard-Handschuhe­n den Aufnahmekn­opf zu treffen.

„Oft haben die preiswerte­n Modelle das meiste Zubehör dabei.“Moritz Wanke vom „Chip“-Magazin

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FOTO: NICO GILLES (SZ) Ein guter Bildstabil­isator ist unter anderem bei rasanten Downhill-Fahrten nötig.

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