„Wir waren nicht zu nett zur Kanzlerin“
Oliver Welke über die Absurditäten des Politbetriebs und den Jahresrückblick der „heute-show“
elcher Politiker hat sich im abgelaufenen Jahr zum Affen gemacht, was war 2017 besonders lustig und wer wird mit dem „Goldenen Vollpfosten“ausgezeichnet? Diese und andere Fragen beantwortet der satirische Jahresrückblick der „heute-show“am 15. Dezember im ZDF (22.45 Uhr). Oliver Welke und sein Team stürzen sich in der Spezialausgabe mit Genuss auf peinliche Begebenheiten und rhetorische Fehltritte. Mit Martin Weber hat sich der Moderator über allerlei Absurditäten des deutschen Politbetriebs und Satire im Zeitalter Donald Trumps unterhalten.
Herr Welke, 2017 ist viel passiert: Donald Trump wurde Präsident, Deutschland hat gewählt, die Jamaika-Sondierungen sind gescheitert. Können Sie das denn alles in Ihren Jahresrückblick packen?
Ich glaube schon, und wenn es in 45 Minuten nicht ganz reinpasst, dürfen wir bestimmt um ein, zwei Minuten überziehen. Ich bin ganz optimistisch, dass wir das hinkriegen. Uns ist es vor allem wichtig, das ein oder andere Thema nicht nur rückblickend abzuhandeln, sondern auch weiterzudenken. Trump zum Beispiel hat ja jetzt auf den letzten Metern des Jahres noch eine Steuerreform hingekriegt, aber da drängt sich natürlich sofort wieder der Eindruck auf, dass die künftig vor allem den Firmen und Reichen nützt, während Normal- und Geringverdiener nur eine ganz kurzfristige und kleine Entlastung haben werden. Das klassische Umverteilungsprogramm von unten nach oben also.
Trump ist ohnehin ein dankbares Thema für Satire ...
Stimmt, wobei ich oft den Eindruck habe, dass es bei Trump eben nicht darum geht, von den ersten Stadien der Demenz zu schwadronieren oder andere Albernheiten zum Besten zu geben. Ich glaube, man verpasst bei Trump ganz oft die wesentlichen Sachen, die spannenden Geschichten passieren immer jenseits von den üblichen Trump-ist-doof-Witzen. Wir versuchen der Figur Trump zum Jahresende auf jeden Fall noch einmal gerecht zu werden. Es geht aber auch um Innenpolitik, beispielsweise unser anhaltendes Bemühen, eine Regierung zu finden.
Also bekommt diesmal auch Kanzlerin Angela Merkel ihr Fett ab?
Angela Merkel wird in der „heuteshow“das ganze Jahr über konsequent kritisiert. Als sie zum Beispiel vor der Bundestagswahl angekündigt hat, dass sie noch einmal antritt, haben wir das ohne Ironie sehr heftig kritisiert, weil wir von Anfang an das Gefühl hatten, dass das dem Wunsch nach einem personellen Neuanfang in der Bundespolitik diametral entgegensteht. Ich glaube, dass wir einen völlig anderen Wahlkampf erlebt hätten und die Bundestagswahl anders ausgegangen wäre, wenn Angela Merkel angekündigt hätte, hinzuschmeißen. Man kann uns wirklich nicht vorwerfen, dass wir zur Kanzlerin zu nett gewesen wären.
Um was geht’s sonst noch?
Um Lobbyismus. Wir haben ja zum ersten Mal die historische Situation, dass mehr Lobbyisten einen Hausausweis haben als gewählte Abgeordnete, und dabei haben wir den größten Bundestag aller Zeiten. Es gibt ja, vor allem dank der Union, in Deutschland immer noch kein verbindliches Lobbyregister, wo genau drinsteht, wer mit wem spricht. Das Thema Lobbyisten ist gerade in Zeiten einer Regierungsbildung besonders spannend, weil diese Kollegen jetzt natürlich besonders aktiv sind.
Stimmt es, dass die „heute-show“für viele junge Zuschauer die einzige Sendung ist, von der sie politische Informationen beziehen?
Zumindest behaupten Studien aus den USA, dass viele Fernsehnutzer ihr politisches Wissen hauptsächlich aus Satiresendungen beziehen. Ich glaube aber, dass die in Deutschland eher in der Minderheit sind, und dass das für die „heute-show“nicht gilt. Was hätte man schon für einen Mehrwert von einer Sendung, die das politische Geschehen der Woche im Rückblick aufarbeitet? Wir setzen ja doch einiges an Informiertheit voraus in unserer Show. Dazu kommt: Wir haben ja gar nicht den Anspruch, Journalisten zu sein. Wir sind zum großen Teil auf die Geschichten angewiesen, die richtige Journalisten recherchieren. Wir sind immer noch eine Unterhaltungssendung.
Für Satiriker leben wir ja in herrlichen Zeiten – ein Wahnsinn jagt den nächsten. Freuen Sie sich über die Themenfülle?
Ich sage immer: Was für die „heuteshow“gut ist, ist oft nicht gut fürs Land. Ich finde also nicht alles toll, was uns Sendezeit schenkt, bestimmte Entwicklungen machen mir auch ernsthaft Angst. Wenn sich alle nur noch in diese Mecker-Haltung reinsteigern, aber keiner mehr was tut, dann sehe ich schwarz für unsere Demokratie. Wer sich mal kommunalpolitisch umsieht, stellt fest, dass da wenig nachkommt an jüngeren Leuten. Das hat nichts mit der sogenannten Politikverdrossenheit zu tun, an die ich sowieso nicht glaube. Es gibt vielmehr ein großes Interesse an Politik. Die Leute haben nur ein Problem mit der Art von Parteipolitik, die sie medial wahrnehmen.
Im Internet wird an allen Ecken und Enden gewitzelt und geblödelt. Braucht man da überhaupt noch Satire im Fernsehen?
Ich denke schon, man muss nur aufpassen, dass man nicht alle Sachen, die schon im Netz waren, noch einmal zitiert. Wobei man sagen muss: Unter dem vielen Quatsch finden sich oft auch exzellente Gags, die ja in der Regel von Amateuren kommen und nicht von Profis. Aber man muss höllisch auf der Hut sein, dass man nicht aus Versehen in die gleiche Kerbe schlägt. Sonst heißt es in den entsprechenden Foren gleich: Guck mal, den Witz haben sie aus dem Netz geklaut.
Beschweren sich denn manchmal Politiker bei Ihnen, dass Sie zu hart mit ihnen umgegangen sind?
Nein, bei mir persönlich nicht, aber beim ZDF in Mainz schon ab und zu. Wir haben aber mit dem Sender vereinbart, dass es besser ist, wenn wir das in einem solchen Fall nicht unmittelbar erfahren, weil sich sonst beim Schreiben der Texte die ein oder andere Hemmung einschleichen könnte. Beschwerden finde ich übrigens völlig legitim, dieses Recht haben nicht nur normale Zuschauer, sondern auch Politiker. Bedenklich wäre ja nur, wenn ein Politiker versuchen würde, im Vorhinein die Ausstrahlung von irgendwas zu verhindern – und das haben wir in bald neun Jahren „heute-show“bislang noch nie erlebt.
Sie hatten noch keinen wutschnaubenden Politiker am Telefon?
Noch nie, die Wut ist zum Glück immer in andere Telefone geschnaubt worden. Wenn ich mal einen bei einer Veranstaltung oder im Flugzeug treffe, dann sehe ich natürlich an der Reaktion, ob der uns lieb hat oder nicht. Es ist manchem ja auch gar nicht so unangenehm, wenn er bei uns vorkommt.
Gab es dieses Jahr den ein oder anderen Gag, der Ihnen hinterher leidgetan hat?
Nicht dass ich wüsste. Was mir manchmal leidtut, ist, wenn wir auf Parteitagen Delegierte vor dem Mikrofon haben, die nicht so ganz genau wissen, wer wir sind, und dann was Blödes sagen. Dann tut es mir manchmal schon leid, dass man sich den Lacher mit jemandem geholt hat, der die Situation in dem Moment nicht so richtig erfasst hat. Mit ausgebufften Politprofis dagegen habe ich weniger Mitleid – und solange auch die sich bei uns um Kopf und Kragen reden, stimmt die Mischung wieder.