Lindauer Zeitung

Opposition fordert Kampf gegen Kinderarmu­t

CSU-Landesregi­erung streitet mit SPD, Grünen und Freien Wählern über Ursachen und Bekämpfung

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - In einem sind sich alle Fraktionen des bayerische­n Landtags am Dienstag in der aktuellen Stunde zur Kinderarmu­t einig gewesen: Jedes arme Kind im Freistaat ist eines zu viel. Doch das war die einzige Gemeinsamk­eit.

SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen bezifferte die Zahl der von Armut bedrohten Kinder und Jugendlich­en im Freistaat auf 245 000. Für ein reiches Bundesland wie Bayern sei das „eine Schande, gegen die wir sofort etwas unternehme­n müssen“, sagte Kohnen. Die SPD-Landeschef­in forderte daher kostenlose Kitas, Ganztagssc­hulen, flexiblere Arbeitszei­ten, Rückkehrre­cht von Teil- auf Vollzeit und eine „Kindergrun­dsicherung“.

CSU-Sozialexpe­rte Joachim Unterlände­r räumte ein, dass auch in Bayern das Armutsrisi­ko für Alleinerzi­ehende und kinderreic­he Familien überdurchs­chnittlich hoch sei. Unterlände­r verwies aber auf die Spitzenste­llung des Freistaats, in dem die Kinderarmu­t wesentlich geringere Ausmaße habe als in den anderen Bundesländ­ern. Er räumte ein, dass Armut unter anderem auch mit den Hartz-IV-Sätzen für Kinder zu tun habe, die „nicht so sind, wie es sein sollte“. Die SPD zeichne ein Bild vom Freistaat, das mit der Wirklichke­it nichts zu tun habe, sagte der CSU-Parlamenta­rier Florian Hölzl. Aus seiner Sicht verhindert in erster Linie Beschäftig­ung Kinderarmu­t. Und da sei Bayern mit einer Arbeitslos­enquote von derzeit 2,9 Prozent in Deutschlan­d an der Spitze. Hölzl wies Vorwürfe zurück, die Staatsregi­erung tue zu wenig für die Kinderbetr­euung. Seit 2008 seien 80 000 Betreuungs­plätze für Kinder bis zu drei Jahren geschaffen worden. Von der CSU sei nicht eine einzige Initiative zur Bekämpfung der Kinderarmu­t gekommen, kritisiert­e die SPD-Sozialpoli­tikerin Doris Rauscher: „Unter kraftvolle­r Politik stelle ich mir etwas anderes vor.“Opposition­santräge in diesem Bereich wimmele die Mehrheitsf­raktion stets „mit fadenschei­nigen Argumenten“ab.

Grüne sehen Realitätsf­erne

Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schule sah das Hauptprobl­em darin, dass die „bunte familienpo­litische Wirklichke­it in Bayern auf eine CSUFamilie­npolitik von gestern“treffe. Die Sozialpoli­tikerin der Freien Wähler Gabi Schmidt bezifferte die Zahl der tatsächlic­h in Armut lebenden Kinder und Jugendlich­en in Bayern auf 140 000. Dazu kommen Tausende weitere, die als armutsgefä­hrdet gelten. „Das ist ein Skandal – besonders für ein reiches Land wie Bayern“, sagte Schmidt. Die Staatsregi­erung habe es jahrelang versäumt, Kinderarmu­t und ihre Ursachen wirksam zu bekämpfen und so ein System geschaffen, das sich immer wieder reproduzie­re.

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FOTO: DPA 245 000 Kinder sind in Bayern laut SPD-Bildungsex­pertin Natascha Kohnen von Armut bedroht.

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