Gewalt gegen Polizisten im Einsatz nimmt zu
Beschimpfungen, Schläge, Tritte, Waffen: Im Westallgäu gab es heuer fast doppelt so viele Vorfälle wie im Vorjahr
LINDENBERG (sz) - Mit Messer, Kette, Stemmeisen und Schraubenzieher: In letzter Zeit häufen sich im Westallgäu die Meldungen, dass Polizeibeamte bei einem Einsatz angegriffen worden sind. Benjamin Schwärzler hat mit Lindenbergs Polizeichef Christian Wucher darüber gesprochen.
Gewalt gegen Polizisten: Wie schlimm ist es wirklich?
Christian Wucher: In der Tat nehmen die Gewalthandlungen bei polizeilichen Einsätzen zu. Im Bereich der Polizei Lindenberg haben wir im Jahr 2016 insgesamt elf Fälle registriert, bei denen fünf Beamte verletzt wurden. Heuer waren es schon 22 Fälle, wobei glücklicherweise nur zwei Beamte verletzt wurden.
Was konkret ist passiert?
Wucher: Die Palette ist breit gefächert. Sie reicht von wüsten Beschimpfungen, Anspucken, Treten und Beißen über Todesdrohungen gegen den Beamten oder seine Angehörigen bis hin zu Schlägen auch mit Gegenständen oder unter Verwendung von Messern oder Waffen.
Woran liegt diese Häufung?
Wucher: Leider ist in unserer Gesellschaft seit Jahren eine zunehmende Respektlosigkeit, häufig gepaart mit aggressivem Verhalten, festzustellen. Ich weise in diesem Zusammenhang nur auf die sogenannte Gaffer-Thematik und auch die Behinderung der Rettungsdienste und der Feuerwehr hin. Der Gesetzgeber hat bereits darauf reagiert und nun auch Gewalt gegen diese Hilfsorganisationen über das Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt.
Was ist dabei besonders schlimm?
Wucher: Völlig unverständlich sind Einsätze, bei denen Rettungskräfte von Personen bedroht oder angegriffen werden, zu deren ärztlicher Versorgung sie alarmiert worden sind. Wir hatten heuer drei Fälle, in denen die erforderliche Notfallversorgung nur durch Hinzuziehung der Polizei erfolgen konnte.
Welche Rolle spielt Alkohol?
Wucher: Im Einzelfall betrachtet lässt sich feststellen, dass gewalttätiges Verhalten häufig unter Alkoholisierung auftritt. So konnten wir in zwölf der 22 Fälle bei den Tätern, darunter übrigens auch zwei Frauen, eine massive Alkoholisierung feststellen.
Was muss sich ein Polizist denn im Einsatz gefallen lassen?
Wucher: Als Polizist wird man fast täglich mit konfliktgeladenen Situationen konfrontiert. Über die Jahre lernt man, damit umzugehen – und legt auch nicht jedes Wort gleich auf die Goldwaage. Die Grenze ist regelmäßig dann überschritten, wenn Straftaten begangen werden. Auch ein Polizist braucht sich nicht mehr gefallen zu lassen wie jeder andere Bürger auch.
Wie reagiert ein Beamter idealerweise, wenn er angegriffen wird?
Wucher: Das kommt ganz auf die Situation an und lässt sich so pauschal nicht beantworten. Grundsätzlich ist jeder Polizeibeamte bemüht, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Es ist immer besser, eine brenzlige Situation kommunikativ zu lösen. Ist das nicht mehr möglich, muss der Polizist Zwangsmittel anwenden, um beispielsweise Strafverfolgungsmaßnahmen durchzusetzen. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Je nach Gefährlichkeit einer Situation können diese Zwangsmaßnahmen von einem einfachen Wegschieben über den Einsatz von Pfefferspray und Fesselung bis zum Einsatz der Schusswaffe reichen.
Wann wird die Waffe benutzt?
Wucher: Der Schusswaffengebrauch ist die schwerste Form des unmittelbaren Zwangs, somit das letzte Mittel und gesetzlich sehr eng geregelt. Vereinfacht gesagt kann die Schusswaffe zum Einsatz kommen, wenn eine akute Gefahr für Leib oder Leben des Polizisten oder einer anderen Person besteht und andere Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen.
Hatten Sie selbst im Einsatz auch schon mal Angst um Ihr Leben?
Wucher: Ja, es gab Situationen, in denen ich ein mulmiges Gefühl hatte. Zum Beispiel bei meiner Zeit als Fahnder bei Kontrollen, in denen sich die Situation hochgeschaukelt hat – und wir hinterher Messer oder andere Waffen bei der Person gefunden haben.