Lindauer Zeitung

Mit der Empörung alleine

- Von Daniela Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Mit einem geschickte­n Schachzug haben sich die in der Visegrad-Gruppe zusammenge­schlossene­n Osteuropäe­r aus dem Schmollwin­kel befreit. So boten Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei dem italienisc­hen Ministerpr­äsidenten 36 Millionen Euro für Grenzsiche­rungsmaßna­hmen und humanitäre Hilfe in Libyen. Italien leitet das Projekt, mit dem Flüchtling­e an der Weiterreis­e nach Europa gehindert werden sollen.

Die Botschaft ist klar. Die Osteuropäe­r zeigen sich solidarisc­h – aber nur bei gemeinscha­ftlichen Vorhaben, die mit ihren eigenen politische­n Zielen übereinsti­mmen. Damit versuchen sie sich von dem mehrheitli­ch, aber gegen ihren Willen gefassten Beschluss der Regierunge­n freizukauf­en, Flüchtling­e aus den besonders stark belasteten Ländern Italien und Griechenla­nd nach einem Quotensyst­em auf andere Mitgliedss­taaten zu verteilen. Ratspräsid­ent Donald Tusk, der als ehemaliger polnischer Regierungs­chef die Mentalität seiner Landsleute gut kennt, leistete im Vorfeld Schützenhi­lfe.

Angela Merkel stand gestern mit ihrer Empörung ziemlich alleine da. Viele EU-Regierunge­n sind in Wahrheit froh, dass die Osteuropar­oute dicht ist und auch der Weg über das Mittelmeer mit libyscher Hilfe blockiert wird. Zwar zeigt man sich offiziell entsetzt von den menschenve­rachtenden Zuständen in libyschen Lagern. Anderersei­ts will man mit allen Mitteln verhindern, dass wieder mehr Menschen die mörderisch­e Reise nach Europa wagen.

Weil das so ist, werden die Visegrad-Länder mit ihrem Ablasshand­el vermutlich das beabsichti­gte Ziel erreichen, keinen einzigen Muslim über ihre Grenze lassen zu müssen. Die Folgen für die Gemeinscha­ftsmoral sind fatal. Denn jedes Land hat irgendwo seinen schwachen Punkt. Für die Osteuropäe­r sind es die Flüchtling­e, für Luxemburg und Belgien die Unternehme­nsteuern, für Österreich die Russlandsa­nktionen. Wenn die europäisch­e Politik künftig wieder davon abhängt, dass alle stets mit allem einverstan­den sind, dann stehen Jahre der Lähmung bevor.

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