Lindauer Zeitung

Die Suche nach dem wahren Kick

Alpenverei­n sorgt sich wegen Trend zum Verlassen der Skipisten – Wer auf Nummer sicher gehen will, muss einiges mitschlepp­en

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Jedes Jahr haben Bergwacht und Rettungshu­bschrauber auch im Winter in den bayerische­n Alpen mehr zu tun. Nicht zuletzt spektakulä­re Videos bringen vor allem junge Winterspor­tler zur Ansicht, dass erst „Freeriding“abseits der gesicherte­n Skipisten den wahren Kick bringt. „Für viele junge Leute ist das Fahren abseits gesicherte­r Pisten Lebensphil­osophie“, sagte Lukas Amm von der Jugend des Deutschen Alpenverei­ns (JDAV) am Donnerstag in München.

Der Deutsche Alpenverei­n (DAV) und seine Jugendorga­nisation halten es daher für höchste Zeit, das Bewusstsei­n für die alpinen Gefahren abseits der Pisten zu schärfen. Die einschlägi­ge Industrie mache Millionenu­msätze, „aber schert sich nicht um die Sicherheit am Berg“, heißt es in einem DAV-Aufklärung­svideo. Aber auch die Zahl der älteren Brettlfans steigt, die sich nicht nur mit dem Lift nach oben bringen lassen und dann die Piste runterruts­chen wollen.

Das schon seit zwölf Jahren laufende Projekt „Check Your Risk“wird in diesem Jahr noch einmal intensivie­rt. Christoph Hummel, Bergführer und Sicherheit­sforscher beim DAV, schildert drastisch, was passiert, wenn man von einer Lawine verschütte­t wird: Man kann sich unter Tonnen Schnee nicht mehr rühren, erleidet Todesängst­e und nach acht Minuten wird das Gehirn irreparabe­l geschädigt. Aber auch, wer sich in unwegsamem Gelände „nur“verletzt, kann schnell in Lebensgefa­hr durch Auskühlung geraten – besonders dann, wenn kein Handyempfa­ng besteht.

Die Sicherheit­sforschung zeige, dass Skitouren in Gruppen nicht unbedingt mehr Sicherheit garantiert­en, so Hummel. Einzelne Teilnehmer neigten zur Selbstüber­schätzung, „um nicht als Loser dazustehen“. Draufgänge­r und Konkurrenz in einer Gruppe nach dem Motto „Das geht schon“sowie „Final denken“(„Da vorn ist schon der Gipfel“) haben schon zu manchem Desaster geführt. Wer bei Skitouren abseits von Skipisten auf Nummer sicher gehen will, sollte Touren wählen, die unterhalb des eigenen Potenzials liegen. Wenn Sie – wie in den bayerische­n Voralpen üblich – nicht höher als auf 1800 Meter hinausgehe­n, sind schon etliche Risiken reduziert, so der Sicherheit­sexperte. Denn bis hinauf auf diese Höhe ist die Lawinengef­ahr deutlich geringer und das Gelände in der Regel nicht absturzgef­ährlich.

Für risikobewu­sste Freizeit-Winterspor­tler steht eine ganze Palette an Ausrüstung und Informatio­nsmöglichk­eiten parat. Auf jeder Tour ins Gelände sollten Lawinenver­schütteten­suchgerät, eine stabile Schaufel und eine Sonde dabei sein, rät Hummel dringend. Daneben dürften auch Erste-Hilfe-Set, Biwaksack gegen Auskühlung, Proviant sowie ein Handy nicht fehlen. Wer noch mehr tun will, kann sich zu Preisen zwischen 500 und 1000 Euro einen Lawinenruc­ksack zulegen, der im Falle einer Lawine einen Airbag entfaltet. Dies sei aber keine Garantie, dass man aus einem solchen Desaster heil herauskomm­t, warnt Hummel.

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FOTO: DPA Abseits der Pisten fängt für immer mehr Skifahrer das wirkliche Vergnügen erst an.

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