Enfant terrible
Für einen, der sich selbst unbescheiden einen „großartigen Verhandler“nennt, verhält sich Michael O’Leary dieser Tage nicht sonderlich schlau. Dem Manager fällt nun nämlich nichts anderes ein, als zu sagen: „Wir verhandeln nicht.“Seit Monaten liegt der Chef des Billigfliegers Ryanair im Streit mit seinen Angestellten. Nun kündigen Piloten in mehreren Ländern einen Streik an. Die in Portugal angestellten Piloten – dort sind bis zu 200 Flugkapitäne stationiert – wollen am 20. Dezember für 24 Stunden die Arbeit niederlegen. In Italien wollen Ryanair-Piloten am Freitag für vier Stunden die Arbeit niederlegen, in Irland ebenfalls am 20. Dezember. Auch in Deutschland hat die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) zu Streiks bei Ryanair aufgerufen. Zwischen dem 23. und 26. Dezember schloss die Gewerkschaft Arbeitsniederlegungen aber aus. Die Gewerkschaft wirft Ryanair „systematisches Sozialdumping“vor.
O'Leary leitet das Unternehmen seit 24 Jahren. Genauso lang ist der Sohn irischer Bauern durch Sprüche und brutale Angriffe auf die Konkurrenz bekannt. 2016 forderte er die Briten zum EU-Verbleib auf – vergeblich. Es scheint, als habe O'Leary darüber seine eigentliche Aufgabe vernachlässigt. Im Herbst musste sich Ryanair oft bei der Kundschaft entschuldigen, weil Flüge gestrichen werden mussten. Grund: schlecht geplante Dienstpläne, unzufriedene Piloten.
Ob O’Leary, der verheiratet ist und auf seinem Anwesen im irischen Mullingar lebt, selbst als Streikbrecher auftritt? Zuzutrauen wäre es dem Enfant terrible der Luftfahrtbranche. In Zeiten vollautomatisierter Jets, sagte der 56-Jährige vor Jahren, seien Co-Piloten eigentlich überflüssig. Notfalls könne eine Stewardess eingreifen, glaubt der gelernte Buchprüfer: „Der Computer übernimmt sowieso weitgehend das Fliegen.“
Sebastian Borger