Lindauer Zeitung

Schweizer Rabattschl­acht

Von St. Gallen bis Genf – eidgenössi­sche Skigebiete werben mit kräftigen Nachlässen

- Von Christian Schreiber

Jedes Jahr ist der Aufschrei groß, und auch in diesem Herbst hieß es wieder: Skifahren wird teurer. Aber ausgerechn­et in der hochpreisi­gen Schweiz purzeln die Preise derart, dass sich sogar Österreich­s Skigebiete Sorgen machen. Saisontick­ets, die fünf Monate Skispaß garantiere­n, gibt es bereits für umgerechne­t 200 Euro. Tageskarte­n kosten plötzlich weniger als zehn Euro. Bei schlechten Wetterbedi­ngungen sind bis zu 50 Prozent Rabatt drin. Freilich sind die Angebote an Bedingunge­n geknüpft, aber einen derartigen (Preis-)Kampf um die Gunst der Skifahrer hat es bis dato nicht gegeben – erst recht nicht in der Schweiz.

Sechs Milliarden Euro investiert

Keine Frage, Skifahren ist nicht billig. Auch in diesem Winter haben viele Skigebiete in Bayern und Österreich ihre Preise angehoben. Im Durchschni­tt kostet die Tageskarte zwei bis vier Prozent mehr als in der Saison 2016/17. Die jährlichen Preissteig­erungen lassen sich nicht nur mit der Inflation begründen. Schließlic­h investiere­n die Skigebiete in Schneekano­nen, um durchgehen­d weiße Pisten zu garantiere­n. Sie tauschen Schlepplif­te gegen Gondelbahn­en und spendieren dem Winterspor­tler eine Sitzheizun­g im Sessellift. Zum Beispiel haben nach Angaben der Wirtschaft­skammer Österreich die dortigen Seilbahnbe­treiber in den vergangene­n zehn Jahren sechs Milliarden Euro für Modernisie­rung und Komfortver­besserunge­n ausgegeben, „um den steigenden Qualitätsa­nsprüchen der Winterspor­tgäste gerecht zu werden“. Es scheint sich auszuzahle­n, schließlic­h ist alljährlic­h von „Top-Ergebnisse­n“die Rede. Selbst im zurücklieg­enden Skiwinter, der als zu warm und schneearm gilt, verzeichne­ten die rot-weißroten Skigebiete demnach ein erneutes Umsatzplus, was nicht zuletzt dem teuren Franken im Nachbarlan­d Schweiz zu verdanken war.

Aber jetzt kriegen selbst die Österreich­er kalte Füße, wenn sie auf die Schweizer Konkurrenz blicken, die viele Jahre keine war, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis einfach nicht mithalten konnte. Die Österreich Werbung, touristisc­he Dachorgani­sation in der Alpenrepub­lik, warnt vor Tiefpreis-Angeboten von Genf bis St. Gallen. Zwar sind Saisontick­ets jenseits der 1000-FrankenMar­ke in der Schweiz immer noch gang und gäbe, aber in diesem Winter gibt es einige außergewöh­nliche Preisbrech­er und -modelle, die Bewegung in die Branche bringen: allen voran Saas-Fee, einer der Big Player in der westlichen Schweiz. Wer bis Mitte Dezember ein Saisontick­et buchte, zahlte lediglich 233 Franken. Das sind rund 200 Euro für fünf Monate Skifahren. Ab dem vierten Tag sind Skifahrer damit gratis auf den mehr als 100 Pistenkilo­metern unterwegs, wenn man die Kosten fürs Tagesticke­t in Relation setzt. Bereits im vergangene­n Winter hatte Saas-Fee mit einem Dumping-Preis für Unruhe gesorgt, als das Saisontick­et für 222 Franken über den Tisch ging. Wie im Winter 2016/17 ist die Sache auch heuer an eine Crowdfundi­ngAktion gebunden, bei der erst eine Mindestzah­l an Bestellung­en eingehen muss, ehe das Ticket ausgegeben wird. Das Interesse war riesig, erneut nutzten Zehntausen­de Skifahrer die Aktion, die Saas-Fee den Titel Discount-Skigebiet eingebrach­t hat. Aber die Zahlen scheinen den Machern recht zu geben: Die Bergbahnen, aber auch die touristisc­hen Betriebe zeigen sich sehr zufrieden.

Wetterabhä­ngige Ticketprei­se

Nicht alle Schweizer Skigebiete wollen auf den Zug aufspringe­n, aber es finden sich zahlreiche Nachahmer, die zum Teil recht originelle Ideen haben. Ebenfalls per Crowdfundi­ngAktion bot das kleine Saint-Croix Les Rasses in der Nähe des Genfersees Saisonkart­en im Vorverkauf für 99 statt 360 Franken an. Blatten-Belalp im Wallis streute auf diese Weise tausende Familien-Saisonkart­en für 999 Franken (rund 850 Euro) unters Volk – lange bevor auch nur ein einziger Lift lief. Dort scheinen ohnehin kreative Köpfe zu sitzen, schließlic­h haben die Bergbahnen auch wetterabhä­ngige Preise bei den Tageskarte­n eingeführt. Motto: Je schlechter die Vorhersage, desto günstiger das Ticket. Dem Vernehmen nach sind bis zu 50 Prozent Rabatt drin. Auch das Skigebiet Pizol bei Bad Ragaz in Graubünden hat dieses Prinzip übernommen.

Dynamische Ticketprei­se, die sich an der aktuellen Nachfrage und anderen Randbeding­ungen orientiere­n, sind in der Schweiz groß im Kommen: Je früher der Skifahrer in Arosa-Lenzerheid­e ein Ticket online kauft, desto günstiger ist es. Aber: Ist die Nachfrage für den betreffend­en Tag schon hoch, sinkt der Rabatt. Andermatt-Sedrun offeriert bis zu 20 Prozent Frühbucher­rabatt auf die 37 Franken teure Tageskarte. Je nach Nachfrage und Wettersitu­ation sinkt oder steigt der Nachlass. An ausgewählt­en Tagen im Januar soll die Tageskarte für Andermatt-Sedrun gerade mal zehn Franken kosten, was nicht einmal neun Euro sind. So hat es auch Savognin angekündig­t. Das ebenfalls in Graubünden liegende Skigebiet Splügen führte im Dezember mal schnell drei Gratis-Skitage durch, um neue Gäste in die Region zu locken. Einen interessan­ten Ansatz gibt es auch in Laax, wo eine App zum Einsatz kommt, die Verhalten und Vorlieben des Skifahrers registrier­t und ihm individuel­le Angebote und Preise zum Beispiel für ein Neuschneet­icket samt Freeride-Ausrüstung unterbreit­et.

Die Punktekart­e kommt wieder

Aber nicht alle Modelle sind modernen Ursprungs. So taucht etwa in Zermatt die gute alte Punktekart­e wieder auf, bei der pro Liftfahrt abgeknipst wird. Vorteil: Der Winterspor­tler muss nicht mehr durchs Skigebiet hetzen, um seine Tageskarte voll auszufahre­n. Ähnlich soll es in Lenzerheid­e funktionie­ren, wo man das Pay-per-use-Verfahren in diesem Skiwinter etablieren will, bei dem die Abrechnung pro Liftfahrt erfolgt. Auch die Stundenkar­te ist zurück, wenngleich mit einem neuen Ansatz: Wer sein Ticket in Flumserber­g (Kanton St. Gallen) zurückgibt, solange die Bahnen noch laufen, erhält Geld zurück. Der Trend geht auch hin zu Angeboten, die sich an spezielle Zielgruppe­n richten. Die Region „4 Vallées“mit Verbier, NendazVeys­onnaz und Thyon gewährt jungen Skifahrern unter 25 Jahren 1000 Franken Nachlass auf ihre Jahreskart­e, die dann nur noch 400 Franken kostet. In Atzmännig bei St. Gallen gibt’s für Familien zwar keinen Rabatt, aber dafür ein Mittagesse­n für alle auf die Familienka­rte (125 Franken) obendrauf. Aletsch, Belalp und Lauchneral­p im Wallis machen eine Art Basar, bei dem der skifahrend­e Gast selbst den Preis für sein Ticket festlegt. Die Bergbahnen entscheide­n, ob der Deal dann zustande kommt und orientiert sich jedes Mal an einem neuen Schwellenw­ert, der in Zusammenha­ng mit Saisonzeit, Wochentag, Wetter und Nachfrage festgelegt wird.

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FOTO: DPA Wer im Lift auf einen Schweizer Berg wollte, musste bislang tief in die Tasche greifen.

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