Lindauer Zeitung

Achtung, die Smombies kommen!

Aktion in Kempten: Ein Drittel der Jugendlich­en lässt sich von Handys ablenken

- Von Kerstin Schellhorn

KEMPTEN - Smombie war das Jugendwort des Jahres 2015 und kombiniert die Begriffe „Smartphone“und „Zombie“. Es bezeichnet Menschen, die unbeirrt auf den Bildschirm ihres Smartphone­s starren und kaum noch die Umgebung wahrnehmen. Der Auto Club Europa (ACE) hat jetzt bei seiner Aktion für Verkehrssi­cherheit „Finger weg – Smartphone im Verkehr“beobachtet, wie viele Smombies auf deutschen Straßen unterwegs sind. In Kempten hat ACE-Sprecher Thomas Wilhelm gezählt und festgestel­lt: Ein Drittel der Jugendlich­en, 33 Prozent, konzentrie­rt sich beim Überqueren der Straße aufs Handy. Bei den Erwachsene­n sind es nur 13,5 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit sind ein Viertel der Jugendlich­en Smombies.

Zwar liefert die ACE–Aktion keine belastbare­n Zahlen wie eine umfassende Studie, denn die Ergebnisse stützen sich auf eine Basis von lediglich 128 Personen, die innerhalb einer Stunde beobachtet wurden. Aber sie vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr sich Menschen im Alltag vom Handy ablenken lassen.

Gezählt wurde am Zebrastrei­fen nahe des Forums (Höhe Sozialbau). Denn dort steht keine Ampel, wodurch es noch gefährlich­er ist, sich beim Rübergehen aufs Handy zu konzentrie­ren. Mit der AZ-Reporterin ist der Kemptener ACE-Sprecher nun dorthin zurückgeke­hrt, um Smombies zu ertappen und sie auf ihr Verhalten anzusprech­en.

Kleine Flöckchen schneien vom Himmel und es ist kalt – nicht das beste Wetter also, um das Smartphone aus der Tasche zu ziehen. Dennoch dauert es nur ein paar Minuten, bis eine Frau telefonier­end über die Straße geht. Kurze Zeit später der nächste Passant: Der junge Mann ist 24 Jahre alt, trägt sein Handy vor sich her und hat Kopfhörer in den Ohren, die daran angeschlos­sen sind. Er telefonier­e mit seiner Mutter, erzählt er. „Sonst mache ich das aber nicht so oft, weil es nicht so sicher ist“, sagt er. Trotz der Ablenkung durch das Gespräch habe er auf den Verkehr geachtet und nach links und rechts geschaut, bevor er die Straße überquerte. „Die Autofahrer achten ja aber auch auf mich.“Wilhelm überrascht diese Antwort sehr. Das Vertrauen in das korrekte Verhalten der anderen ist offenbar groß.

Ein paar Schritte weiter, an der Kreuzung Forum/Berufliche­s Schulzentr­um, wartet eine Frau an der Ampel, die ihr Handy in der Hand hält und über die Freisprech­einrichtun­g mit jemandem telefonier­t. Sie wirkt sehr auf das Gespräch konzentrie­rt – auch noch, als die Ampel auf grün schaltet und sie mit anderen Passanten losgeht. Das sieht Wilhelm kritisch. „Man geht los, wenn die anderen losgehen, blendet alles andere aber aus.“

Drei Jugendlich­e überqueren kurze Zeit später aus Richtung Berufsschu­le die Straße, einer von ihnen mit Headset (Kopfhörer) im Ohr und Smartphone in der Hand. „Eigentlich immer“antwortet er auf die Frage, wie oft er mit dieser Ausstattun­g unterwegs sei. „Aber“, betont er, „auf der Straße habe ich nur einen Kopfhörer drin.“Man sollte schon aufpassen, findet der 17-Jährige. Sein Freund ergänzt: „Mit beiden Kopfhörern fühle ich mich unsicher.“

Sie rechne nicht damit, dass einer der Autofahrer bei rot einfach losfährt, sagt eine 18-Jährige, die auf die Uhr auf ihrem Handy schaut, während sie über die Straße geht. „Ich weiß aber schon, dass es gefährlich ist.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Voll aufs Smartphone konzentrie­rt, aber nicht auf den Verkehr: So wie auf unserem gestellten Foto sehen Smombies aus.

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