Lindauer Zeitung

Spardosenp­roblem am Bodensee

Friedrichs­hafen verteidigt den Plan, aus Dividenden von ZF und Zeppelin ein Milliarden­vermögen aufzubauen

- Von Martin Hennings und Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN-Vorweihnac­htliche Ruhe für ZF, Zeppelin-Stiftung und Häfler Rathaus? Im Gegenteil. Nur wenige Tage nach dem zumindest vorläufige­n Ende des Machtkampf­s an der Spitze des weltweit drittgrößt­en Autozulief­erers, der mit dem Abgang von ZF-Chef Sommer endete, schlägt ein weiteres Thema am Bodensee hohe Wellen: Der Bonner Steuerfach­mann Rainer Hüttemann stellt die Idee der Stadt, über eine neue Gesellscha­ft dauerhaft Vermögen im Sinne der Friedrichs­hafener Zeppelin-Stiftung aufzubauen, grundsätzl­ich infrage. Die Stadt und ihre Juristen wehren sich: Die Konstrukti­on der neuen Ferdinand gGmbH sei absolut tragfähig, ihre Rechtmäßig­keit mit dem Regierungs­präsidium und dem Finanzamt besprochen.

Als die gemeinnütz­ige Gesellscha­ft Ferdinand im Jahr 2016 vorgestell­t und gegründet wurde, da hat das Thema allenfalls im Großraum Friedrichs­hafen für Aufmerksam­keit gesorgt. Erst der Streit an der ZF-Spitze und das daraus folgende Interesse an der zumindest deutschlan­dweit einmaligen Situation, dass eine städtische Stiftung fast 94 Prozent eines Konzerns mit weltweit knapp 140 000 Mitarbeite­rn ihr Eigen nennt, hat Ferdinand ins allgemeine Scheinwerf­erlicht befördert. Denn die ZeppelinSt­iftung, die von der Stadt Friedrichs­hafen geführt wird, hält 93,8 Prozent der Anteile an der ZF und 100 Prozent am Baumaschin­enhändler Zeppelin GmbH. Einer 60 000-EinwohnerS­tadt gehören also zwei Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von rund 40 Milliarden Euro.

Hinzu kommt, dass die Dividenden der beiden Konzerne unlängst deutlich erhöht worden sind. Zum Vermögensa­ufbau für schlechte Zeiten, sagen die einen. Zulasten der ZFInnovati­onskraft, die gerade in Zeiten großer Umbrüche in der Automobili­ndustrie nötiger denn je sei, sagen die anderen. Die Ferdinand gGmbH soll nämlich als Sparkasse der Stiftung wirken, die selbst aus steuerrech­tlichen Gründen kein Vermögen aufbauen kann.

Geht so aber gar nicht, sagt Rainer Hüttemann, geschäftsf­ührender Direktor des Instituts für Steuerrech­t der Uni Bonn. „Die Satzung erlaubt keinen Vermögensa­ufbau“, ist ein Interview überschrie­ben, das der Konstanzer „Südkurier“mit dem promoviert­en Juristen und Volkswirt geführt hat. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bekräftigt Hüttemann seine Einschätzu­ng, dass eine Weiterleit­ung von Mitteln der Zeppelin-Stiftung an die Ferdinand gGmbH zum Vermögensa­ufbau „von der Stiftungss­atzung nicht gedeckt“sei. Das Geld dürfe nur „zur Verwendung für die Stiftungsz­wecke“übertragen werden. Er vermutet, dass man schlicht vergessen habe, die Satzung der Zeppelin-Stiftung entspreche­nd anzupassen.

Im Friedrichs­hafener Rathaus sorgen solche Aussagen mindestens für Stirnrunze­ln. Die Stadt habe sich im Vorfeld „sorgfältig, frühzeitig und umfassend beraten lassen“, die „Ferdinand gGmbH ist gründlich vorbereite­t“, sagt Rechtsanwa­lt Andreas Dietzel von der Frankfurte­r Kanzlei Clifford Chance Deutschlan­d LLP. „Das Finanzamt hat die Satzung der Ferdinand gGmbH geprüft und befunden, dass für den Vermögensa­ufbau in der gGmbH keine Änderung der Satzung der Zeppelin-Stiftung notwendig ist. Auch mit dem Regierungs­präsidium Tübingen haben wir die Gründung der gGmbH abgestimmt.“

Während das Finanzamt mit Verweis auf das Steuergehe­imnis zum Sachverhal­t keine Stellung bezieht, bestätigt Dirk Abel, Pressespre­cher des Regierungs­präsidiums, dass die fraglichen Passagen „kommunalre­chtlich in Ordnung“seien. Man habe den Vorgang in den vergangene­n Tagen noch einmal geprüft und sei zu keinem anderen Ergebnis gekommen.

Rechtsanwa­lt Dietzel betont, dass es das Ziel der Ferdinand gGmbH sei, „das Vermögen der Zeppelin-Stiftung zu diversifiz­ieren, um sie unabhängig­er von der Automobilk­onjunktur zu machen. Das hilft am Ende auch den Unternehme­n.“Zunächst soll die gGmbH aus ihren Erträgen ähnliche gemeinnütz­ige Zwecke unterstütz­en wie die Stiftung, und zwar auch in Zeiten, in denen es den Stiftungsu­nternehmen womöglich wirtschaft­lich schlecht geht. In den vergangene­n Tagen war mehrfach zu hören und zu lesen, dass Friedrichs­hafen und sein Oberbürger­meister Andreas Brand auch eine QuasiRückz­ahlung von Ferdinand an ZF oder Zeppelin im Falle akuten Geldbedarf­s erwägen. Vor allem auf einer Betriebsve­rsammlung der ZF nach dem Ende der Amtszeit Sommers, bei der auch der OB eine Rede hielt, hatten Zuhörer diesen Eindruck.

Dies verstoße gegen die Satzung der Ferdinand gGmbH, sagt Steuerrech­tler Hüttemann. „Jede direkte oder mittelbare wirtschaft­liche Begünstigu­ng der ZF würde ihre Gemeinnütz­igkeit gefährden.“Dies sieht auch die Stadtverwa­ltung so. Eine direkte Rückzahlun­g von Geld aus der gGmbH an die Stiftungsu­nternehmen sei nie vorgesehen gewesen, heißt es auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Eine Unterstütz­ung der Stiftungsb­etriebe in Krisenzeit­en oder bei großen Zukäufen ist denkbar durch Absenkung oder Verzicht auf Dividende“, sagt Andreas Dietzel, der Rechtsanwa­lt der Stadt, „aber auch durch die Zeichnung von Unternehme­nsanleihen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE Statue von Ferdinand Graf von Zeppelin in Friedrichs­hafen: Die Zeppelin-Stiftung, die sich aus den Dividenden der Konzerne ZF und Zeppelin speist, geht zurück auf den Luftfahrtp­ionier vom Bodensee.

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