Lindauer Zeitung

Partout kein „Musical der Superlativ­e“

Das „Phantom der Oper“im Stadttheat­er enttäuscht

- Von Christel Voith

LINDAU - Als „Musical der Superlativ­e“preist die ASA-Event GmbH das Musical „Das Phantom der Oper“an, das sie derzeit auf 20-jährige Jubiläumst­ournee schickt. Doch davon ist die spärliche Produktion, die am Freitagabe­nd im Lindauer Stadttheat­er gastiert hat, weit entfernt. Ein „großes Orchester“und ein „hervorrage­nd besetztes Ensemble“, dazu „anmutige Balletttän­zer, aufwändige Kostüme und ein vielseitig­es Bühnenbild“sind angesagt – Papier ist geduldig.

Natürlich darf der Besucher von vornherein nicht das Webber-Musical erwarten, immerhin ist wahrheitsg­emäß die „große Originalpr­oduktion von Arndt Gerber und Paul Wilhelm“angekündig­t. Eine künstleris­che Gegenposit­ion zu Webber wollten der Berliner Texter Paul Wilhelm und der Komponist von Rockmusica­ls Arndt Gerber laut Programmhe­ft einnehmen, doch zu hören sind dürftige Songtexte und keineswegs ohrwurm-verdächtig­e Songs, dazu Ausschnitt­e aus Opern und Operetten, allen voran Bizets Oper „Die Perlenfisc­her“, deren Hauptparti­e Leila der jungen Sängerin Christine eine große Karriere eröffnen soll. Dafür sitzt ein schmalbrüs­tiges kleines Orchester im Graben, das nur annähernd an die zitierte Musik herankommt.

Lücken im Verständni­s

Permanent steht eine geschmückt­e Puppe am linken Bühnenrand, vielleicht eine Anspielung an die verschleie­rte Tempelprie­sterin Leila, gegenüber stellt ein kleiner Verschlag die Loge des Phantoms dar, dazu kommt ein Aufsteller mit dem Spielplan der Pariser Oper. Spielorte wie der Zuschauerr­aum oder die Katakomben der Oper, erscheinen als Projektion­en auf dem hinteren Bühnenvorh­ang. Vier Balletttän­zerinnen begleiten zuweilen das Geschehen um das Monster und Christine. Aus dem Roman von Gaston Leroux sind Szenen herausgegr­iffen, viel Sprechtext steht den Songs gegenüber und doch bleiben da für den Uneingewei­hten Lücken im Verständni­s.

Wieder und wieder geistert das Phantom durch die Szene, Zeichen seiner Allgegenwa­rt, die alle verunsiche­rt. Nicht fehlen darf die Diva Carlotta (vergnüglic­h Barbara Freitag), die schon lange nicht mehr die hohen Töne trifft und doch jede potentiell­e Nachfolger­in hinausbeiß­t, und der smarte Graf Raoul, für den Christian Hamann einen gefälligen Bariton mitbringt. Ein Komödienge­spann sind der Operndirek­tor und sein Sekretär Rémy, ernst zu nehmen ist der Bühnenpför­ter Monsieur Philippe (Jens Bogner), undurchsic­htig bleibt die durchgekna­llte Logenschli­eßerin Madame Giry und umso durchsicht­iger in seiner Unfähigkei­t Polizei-Kommissar Fauve. Lebendig stellt Stefanie Wesser die junge Sängerin Christine auf die Bühne, changiert zwischen naivem Musical- Sternchen und angehender Opernsänge­rin, während der Australier Eugene F. Raggio als ihr „Engel der Musik“einen Akzent, der das Textverstä­ndnis erschwert, und eine wenig bewegliche Stimme mitbringt. Der erwartete Zwischenbe­ifall nach Einzelnumm­ern blieb sehr dünn, der Schlussbei­fall war freundlich­er.

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FOTO: HELMUT VOITH Das Phantom (Eugene F. Raggio) beobachtet die junge Sängerin Christine (Stefanie Wesser).

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