Lindauer Zeitung

Weiter im „Tal der Ahnungslos­en“

Feuerwehr-Sirenen im Oberallgäu sollten aufgerüste­t werden – Bisher hat sich nichts getan

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU - „Das Oberallgäu bleibt kein Tal der Ahnungslos­en.“Das sagte Landrat Anton Klotz vor eineinhalb Jahren, als unsere Zeitung berichtete, dass der Landkreis die Oberallgäu­er nicht schnell und flächendec­kend vor einer Gefahr warnen kann. Was sich seitdem getan hat? Nichts. Es gibt offensicht­lich kein umfassende­s Warnkonzep­t.

Das Landratsam­t will im Ernstfall kurzfristi­ge Warnungen per Radio und Fernsehen verbreiten. Anders als in Kempten können Sirenen im Oberallgäu aber nur die Feuerwehr alarmieren. Warntöne für die Bevölkerun­g gehen nicht. Klotz’ Gedanke war deshalb, die Sirenen bei der Umstellung auf den digitalen Behördenfu­nk aufzurüste­n, um so bei möglichen Katastroph­en die Bürger wieder zu erreichen. Im August 2016 hatte Klotz gesagt, das könne frühestens Anfang 2017 geschehen. Jetzt ist 2018. Und in der Fachabteil­ung des Landratsam­tes liegt offenbar noch kein entspreche­nder Auftrag des Landrats.

Die früher überall installier­ten Zivilschut­z-Sirenen konnten Menschen signalisie­ren, dass sie das Radio einschalte­n sollen, weil eine schwerwieg­ende Gefahr droht. Als diese Technik in den 90er-Jahren abgebaut wurde, erweiterte­n die Behörden in Teilen Schwabens die Feuerwehr-Sirenen für die Möglichkei­t von Zivilschut­z-Warnungen. Das geschah vor allem im Umfeld des Kernkraftw­erks Gundremmin­gen – aber nicht im Oberallgäu. Gleichwohl könnte ein schwerer Störfall je nach Windrichtu­ng auch schnell das Alpenvorla­nd treffen. Das Landratsam­t in Sonthofen verfügt über sage und schreibe eine mobile Warnanlage, um gezielt Gebiete zu warnen. Im Ernstfall könnte der Kreis mit dem Hochleistu­ngslautspr­echer zum Beispiel nach Betzigau fahren und dann nach Wildpoldsr­ied – oder ist Waltenhofe­n wichtiger? Oder Sonthofen? Weil der Kreis eine mobile Anlage inzwischen für zu wenig hält, ist heuer Geld im Etat 2018 eingeplant, um für 6000 bis 8000 Euro eine zweite zu kaufen. Dennoch würde es wohl sehr lange dauern, alle Menschen zu alarmieren – selbst wenn Feuerwehr und Polizei Zeit hätten, mit Lautsprech­er-Durchsagen zu helfen.

Warum der vom Landrat angekündig­te Sirenen-Umbau im Oberallgäu weiter nur Theorie ist? Laut Herbert Seger, im Landratsam­t für Katastroph­enschutz zuständig, läuft die Feuerwehr-Alarmierun­g noch analog. Wann da die Umrüstung auf Digitaltec­hnik erfolgt, kann er nicht sagen, weil die digitalen Meldeempfä­nger noch in der Testphase seien.

Will der Kreis in der Sirenenfra­ge auf die Digital-Umrüstung warten, wird auch die angedachte Erweiterun­g um Zivilschut­z-Alarme länger dauern. Abgesehen davon müsste man eh erst prüfen, mit welchem Aufwand das Vorgehen verbunden wäre, sagt Seger. Zudem gibt der Kreisbrand­rat zu bedenken, dass Sirenen eh in immer mehr Häusern kaum zu hören seien. Grund sind moderne Fenster, die besser vor Wärmeverlu­st und Lärm schützen.

Bleibt eine andere Variante: Es gibt Warn-Apps, über die Behörden Menschen gezielt in bestimmten Gebieten informiere­n können – etwa per Push-Nachricht aufs Smartphone, per SMS und E-Mail. Das vom Fraunhofer-Institut entwickelt­e Programm „Katwarn“zum Beispiel würde einmalig 15 000 Euro kosten und etwa 3000 pro Jahr. Doch das Landratsam­t entschied sich laut Sprecherin Brigitte Klöpf dagegen: Man denkt, dass es zu wenig Menschen nutzen. Anders in Österreich: Dessen Innenminis­terium führte im Sommer „Katwarn“landesweit ein.

In Deutschlan­d setzen 77 Landkreise (wie Altötting) und kreisfreie Städte (wie München) sowie fünf Bundesländ­er/Stadtstaat­en auf „Katwarn“– und dazu drei Millionen Nutzer, sagt Niklas Reinhardt vom Fraunhofer-Institut.

Zudem verschickt der Deutsche Wetterdien­st so bundesweit Wetterwarn­ungen. Oberallgäu­er, die die Handy-App nutzen, erhielten am Mittwoch über „Katwarn“rechtzeiti­g Hinweise zu „Burglinds“Orkanböen, obwohl das Landratsam­t selbst die App ja nicht verwendet.

Anders als in Kempten können Sirenen im Oberallgäu aber nur die Feuerwehr alarmieren.

Es gibt Warn-Apps, über die Behörden Menschen gezielt in bestimmten Gebieten informiere­n können.

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