Freie Wähler wollen Familien entlasten
Winterklausuren der Parteien – Auch Grüne setzen auf das Thema Digitalisierung im Wahlkampf
BAYREUTH/NEUBURG - Mit dem Anspruch, nach der Landtagswahl im Oktober im Freistaat mitregieren zu wollen, haben Grüne und Freie Wähler (FW) im Landtag am Freitag ihre Winterklausuren beendet. Die Zeiten der absoluten Mehrheit der CSU in Bayern seien unwiderruflich vorbei, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze in Bayreuth.
Der grüne Co-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann sagte mit Blick auf eine mögliche Koalitionsbildung nach der Landtagswahl am 14. Oktober: „Ich schließe da gar nichts aus.“Die Frage sei aber nicht, ob die Grünen den künftigen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) „toll finden, sondern ob wir Inhalte mit Schwarz-Grün durchziehen können“.
Es sei für Bayern besser, wenn die FW mitregierten, meinte ihr Fraktionsvorsitzender Hubert Aiwanger: „Immer nur Anträge einbringen und abgewatscht zu werden ist auf Dauer langweilig.“Die CSU müsse allerdings ihren Größenwahn ablegen und zu einer „vernünftigen Heimatpartei“werden. Bündnisse der CSU mit SPD, Grünen oder FDP seien entweder ideologisch geprägt oder eine „Partnerschaft mit Nadelstreifenträgern“. In der Landtagswahl wollen die Grünen die SPD überholen und zweitstärkste politische Kraft in Bayern werden. Die jüngste „Bayerntrend“-Umfrage sieht sie auf 14, die SPD auf 16 Prozent. Eine schwarzgrüne bayerische Staatsregierung wurde dabei von 46 Prozent der Befragten bevorzugt – mehr als jedes andere denkbare Regierungsbündnis.
FW geben sich bescheiden
Die Berliner Sondierungsgespräche hätten gezeigt, wie schnell andere Parteien Zukunftsthemen wie die Klimaschutzziele einfach abräumten, kritisierte die Grüne Schulze. Co-Vorsitzender Hartmann kritisierte die Absage von Union und SPD an einen erweiterten Familiennachzug scharf. Dies werde „der Integration gewaltig schaden“.
In der Formulierung der Wahlziele bescheidener gab sich FW-Vorsitzender Aiwanger mit einem Ergebnis von „acht bis zehn Prozent“: „Wenn’s mehr werden sollte, sagen wir nicht Nein.“Die FW hoffen noch auf Stimmen von der bayerischen FDP und der Protestwähler. Die FDP „brauchen wir in Bayern nicht“, sagte Aiwanger.
Inhaltlich wollen beide Parteien die CSU im Wahljahr mit angestrebten Volksbegehren in die Defensive bringen. FW-Chef Aiwanger hofft, dass sein Volksbegehren für die Abschaffung der Straßenausbaugebühren durch eine Entscheidung der CSU-Mehrheit noch überflüssig wird, warnte aber gleichzeitig die Regierungspartei, „nicht auch da noch zu taktieren“. Die FW sehen den Kampf gegen die Straßenausbaugebühren als Teil einer Gesamtstrategie zur finanziellen Entlastung der Bürger.
Nach ihrer Abschaffung und der Abschaffung von Studiengebühren wolle man auch die Kinderbetreuung in Bayern wie in anderen finanziell weniger begüterten Bundesländern komplett kostenfrei machen. Dem Staat würde das eine halbe Milliarde Euro jährlich kosten. Bayern könne sich das leisten, meinte Aiwanger.
Digitalisierung als Gemeinsamkeit
Die Grünen wollen der CSU mit dem angestrebten Volksbegehren zur Begrenzung der Flächenversiegelung Druck machen. Wenn alle Instrumente seit vielen Jahren versagten und der Flächenfraß sich ungehindert fortsetze, müsse die Politik eben etwas anders machen, so Hartmann.
Die Grünen flankierten die Forderung nach einer Reduzierung des Flächenverbrauchs mit einem Maßnahmenbündel zur Umsetzung. Sowohl Grüne wie FW beschäftigten sich auf ihren Klausuren mit dem Thema Digitalisierung. Die in Neuburg an der Donau tagenden FW erlebten die noch bestehenden Defizite im Freistaat hautnah, weil sie in ihrem Tagungshotel im Wahlkreis von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer weder Mobilfunkverbindung noch schnelles Internet zur Verfügung hatten.
Das Vorhaben der CSU-Staatsregierung, bestehende Mobilfunklücken zu füllen, indem die betroffenen Gemeinden selbst Sendemasten bei einer Kostenerstattung von 80 Prozent aufstellten, stieß auf harsche Kritik von FW-Wirtschaftssprecher Thorsten Glauber: „Wer sich solche Dinge ausdenkt, hat nichts verstanden.“Grünen-Fraktionschefin Schulze wiederholte bei der Klausur in Bayreuth den Anspruch ihrer Partei, den digitalen Wandel mitzugestalten. In der Digitalisierung stecke „unheimlich viel Grün“. Sie könne Chancengleichheit, Klimaschutz und Demokratisierung befördern.
Man müsse sich allerdings auch um die negativen Seiten wie Hasskommentare kümmern. Schulze schlug dafür die Bildung einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft und die Beratung der Opfer von „rechter und rassistischer“verbaler Gewalt vor.