Lindauer Zeitung

„Eine Haltung dazu müssen Sie aber selbst finden“

P-Seminar des Valentin-Heider-Gymnasiums präsentier­t die Ausstellun­g „70 Jahre Staat Israel“

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- Antisemiti­smus, Antizionis­mus, Israel und Nahostkonf­likt sind gerade brandaktue­lle Themen in Deutschlan­d. Vor diesem Hintergrun­d sind sachliche und wertneutra­le Informatio­nen umso wichtiger. Und umso mehr herauszust­ellen ist, dass es nun, in jenem Jahr, in dem sich die Staatsgrün­dung Israels zum 70. Male jährt, im Valentin-HeiderGymn­asium eine Ausstellun­g gibt, die sich genau mit all diesen Themen unter dem Titel „70 Jahre Staat Israel“auseinande­rsetzt. Konzipiert und ausgearbei­tet wurde sie von 16 Schülern des P-Seminars Geschichte, die die Ausstellun­g mit rund 50 Besuchern zudem gebührend eröffneten.

Als die 16 Schüler des ValentinHe­ider-Gymnasiums vor eineinhalb Jahren das P-Seminar Geschichte mit dem Thema Israel gewählt haben, war als Höhepunkt eine Studienfah­rt nach Israel geplant. Doch daraus wurde nichts. Gewaltauss­chreitunge­n ließen diese Reise zu gefährlich werden. Stattdesse­n haben die Zwölftkläs­sler aus ihrer Auseinande­rsetzung mit der Geschichte, der Politik, der Kultur und der Gesellscha­ft Israels eine Ausstellun­g gemacht. Eine sehenswert­e Ausstellun­g, die sich in der Darstellun­g des Staates Israels und des mit ihm einhergehe­nden Nahostkonf­likts um Neutralitä­t, Sachlichke­it und Objektivit­ät bemüht. Und gleichzeit­ig in dem Bewusstsei­n, dass dies schier unmöglich ist.

13 Tafeln über Israel

Auf 13 Texttafeln präsentier­en die Schüler ihre Recherchee­rgebnisse. Dabei beschäftig­ten sie sich ebenso mit der „Vorgeschic­hte des Staates Israel“, seiner „Staatsgrün­dung“, den „Palästinen­sischen Gebieten“, dem „Siedlungsb­au“oder mit der durch Donald Trumps Entscheidu­ng, Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu erklären, immer unwahrsche­inlicher gewordenen „Zwei-Staaten-Lösung“. Aufgelocke­rt haben die Schüler die textintens­ive Ausstellun­g mit Fotos, die den Alltag in Israel zeigen. Aber auch mit Kunstobjek­ten, die in gläsernen Schaukäste­n zu sehen sind, und die sich mit dem Thema der jeweiligen Texttafel künstleris­ch auseinande­rsetzen. Wie etwa die rotgetränk­ten Mullbinden unter der Tafel „Terror in Israel“, der Wasserhahn unter der des „Wasserkonf­likts“.

„Wir haben seit über einem Jahr die Ausstellun­g vorbereite­t“, erklärte Cosima Hoch den Besuchern der Ausstellun­gseröffnun­g, und Katharina Rechtstein­er sollte am Ende ergänzen, dass es eine „Zeit der Höhen und Tiefen“gewesen sei. Zu den Highlights gehörten, so erzählten die beiden Schülerinn­en, sowohl die Zusammenar­beit mit dem Jüdischen Museum in Berlin, das den Schülern Tipps zur Konzeption dieser Ausstellun­g gegeben hatte, als auch der verbrachte Abend im Kreise der jüdischen Familie Hagen in Berlin. Hatten die beiden Schülerinn­en die durch den „Auswahlcho­r“sowie das Klezmer-Trio Katharina Rechtstein­er, Sarah Beck und Carina Janthur musikalisc­h begleitete Vernissage moderiert, so übernahm Johannes Boxdörfer als der für das P-Seminar verantwort­liche Lehrer und „ohne den die Ausstellun­g nicht möglich gewesen wäre“, wie Hoch betonte, den Part der Einführung. In seiner eindrucksv­ollen Rede nannte er die Ausstellun­g einen Versuch, „Perspektiv­en von Israel zu zeigen“. Denn so wie es keine „ultimative objektive Wahrheit“über dieses Land geben könne, weil die Wahrheit stets von der eingenomme­nen Perspektiv­e abhänge, sei es ebenso schwer gewesen, Neutralitä­t bei der Auswahl der gezeigten Darstellun­gen zu wahren. Die Schüler mussten erkennen, dass oftmals „Ursache und Folge, Aktion und Reaktion untrennbar verbunden“seien. „Und diese Ketten sind Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunder­te alt.“

Boxdörfer: Fragwürdig­er Titel

Deshalb fand Boxdörfer allein schon den Titel der Ausstellun­g diskussion­swürdig. Denn „70 Jahre Staat Israel“setzt den Schwerpunk­t auf die Zeit ab jenem 14. Mai 1948, als David Ben Gurion vor den versammelt­en Mitglieder­n des jüdischen Volksrates in Tel Aviv die Unabhängig­keitserklä­rung verlas und damit die Gründung des Staates Israel erklärte, bis heute. Bewusst fast gänzlich außer Acht lässt die Ausstellun­g die verschiede­nen und jahrzehnte­langen religiösen, nationalen und politische­n Bewegungen im Judentum, die die Staatsgrün­dung vorbereite­t haben. Dass die Schoah der wahre Grund dafür sei, schloss Boxdörfer aus. „In Wahrheit ist er trotz des Holocausts entstanden.“Denn, so zog er den Schluss, angesichts jahrhunder­telanger Pogrome, Ausgrenzun­gen und Diskrimini­erungen in allen Ländern der Erde, in denen die Juden Heimat gefunden hatten: „Die Welt hat einen Staat Israel notwendig gemacht.“Deshalb läge auch die Verantwort­ung für die Ursachen des Nahostkonf­likts bei der Weltgemein­schaft. Dies alles, zusammen mit dem in Deutschlan­d erneut aufflammen­den Antisemiti­smus, mache für Boxdörfer eine Ausstellun­g über Israel notwendig. „Wir möchten Sie neugierig machen auf die Auseinande­rsetzung mit einem spannenden und spannungsg­eladenen Land“, lud er die Besucher am Ende seiner Rede ein und betonte: „Eine Haltung dazu müssen Sie aber selbst finden.“

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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Der Ofen wird angeheizt: Die Hexe (Counterten­or Fritz Spengler) hat auch schon das passende Outfit für ein Festmahl übergestre­ift – eine Metzgerssc­hürze und Gummistief­el.
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FOTO: ISABEL KUBETH DE PLACIDO Bei der Vernissage zur Ausstellun­g „70 Jahre Staat Israel“im ValentinHe­ider-Gymnasium sehen sich die Besucher interessie­rt die zahlreiche­n Fotos, Texttafeln und Kunstobjek­te an.

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