Lindauer Zeitung

AfD provoziert Eklat bei Bundestags­sitzung

Fraktion lässt Sitzung abbrechen als Reaktion auf Nicht-Nominierun­g – Gauland spricht von „Krieg“gegen seine Partei

- Von Andreas Herholz

BERLIN (dpa) - Die AfD hat den Abbruch einer Bundestags­sitzung erzwungen. Das Parlament musste seine Beratungen am späten Donnerstag­abend beenden, weil das Plenum wegen zu wenigen anwesenden Abgeordnet­en nicht beschlussf­ähig war. Verlangt hatte die genaue Nachzählun­g, Hammelspru­ng genannt, die AfD-Fraktion. Sie feierte den Abbruch als politische­n Erfolg. Fraktionsc­hef Alexander Gauland sagte: „Der aktuelle Hammelspru­ng ist die Revanche für die Nicht-Wahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.“

Der Bundestag hatte zuvor den AfD-Kandidaten Reusch für das Parlamenta­rische Kontrollgr­emium durchfalle­n lassen. Der brandenbur­gische Abgeordnet­e, ein früherer Staatsanwa­lt, bekam statt der notwendige­n 355 Stimmen lediglich 210 Stimmen. Das neunköpfig­e Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdien­ste verantwort­lich. Dass die rechtspopu­listische Partei nun vorerst außen vor bleibt, sorgt in der AfD für Verärgerun­g.

13 Prozent der Wähler würden damit ausgegrenz­t, hatte Gauland beklagt. Er kündigte an, Reusch erneut ins Rennen zu schicken: „Wenn man Krieg haben will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen.“

BERLIN - Der Einzug der AfD hat die Atmosphäre im Bundestag verändert. Nachdem die AfD zum zweiten Mal mit einem Kandidaten für einen wichtigen Posten abgeblitzt ist, hat sich der Ton weiter verschärft.

„Wenn man Krieg kriegen will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen“, wütet Alexander Gauland am Donnerstag­abend martialisc­h in der Lobby des Bundestage­s. Seine Partei habe keine Lust, immer wieder „einen Tritt in den Hintern zu bekommen und dann zu anderen nett zu sein“. Der Chef der AfD-Fraktion droht mit einer „Revanche“dafür, dass AfD-Mann Roman Reusch bei der Wahl der Mitglieder des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums gescheiter­t war. Die AfD hat nun zunächst keinen Vertreter in dem Ausschuss, der unter anderem die Geheimdien­ste kontrollie­rt.

Wenige Stunden später, um 22.39Uhr wird deutlich, was Gauland damit gemeint hatte.

Während gerade eine Debatte über das Tierwohl läuft, nicht einmal zwei Dutzend Abgeordnet­e im Plenum sitzen und eine Abstimmung ansteht, meldet sich AfD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Jürgen Braun zu Wort. Er stellt die Beschlussf­ähigkeit des Bundestage­s infrage. Bundestags­vizepräsid­entin Petra Pau (Linke) ruft zum sogenannte­n Hammelspru­ng – eine Abstimmung, bei der die Abgeordnet­en durch verschiede­ne Plenarsaal­türen mit der Aufschrift Ja, Nein oder Enthaltung gehen und auf diese Weise abstimmen. Eilig rufen die Fraktionen ihre Abgeordnet­en herbei. Am Ende reicht es nicht. 312 statt der für die Beschlussf­ähigkeit erforderli­chen 355, und Pau muss um 23.19 Uhr die Sitzung vorzeitig beenden.

Nächtliche­r Eklat im Bundestag, die AfD feiert ihren Erfolg. „Vielleicht verstehen sie jetzt, was wir meinten, als wir sagten, wir werden sie ‚jagen‘“, twittert die AfD. Am Abend der Bundestags­wahl hatte Gauland angekündig­t, die AfD werde „Frau Merkel oder wen auch immer jagen“. Nun, nach dem Abbruch der Sitzung, droht er den anderen Parteien: „So lassen wir uns nicht behandeln. Das ist erst der Anfang.“

„Krieg“und „Revanche“– der Ton im Bundestag wird rauer. Vergeblich hatte die AfD ihren Abgeordnet­en Albrecht Glaser als Kandidaten für das Amt des Bundestags­vizepräsid­enten aufgestell­t. Dreimal ist er gescheiter­t, einen vierten Wahlgang soll es nach Willen des Ältestenra­tes nicht geben. Glaser wird vorgeworfe­n, Muslimen die Religionsf­reiheit abzusprech­en.

Die Fraktion rechts außen im Bundestag setzt stets auf hohe Präsenz in den Plenarsitz­ungen und kritisiert, dass die Reihen im Plenum mitunter recht dünn besetzt bleiben. Ein großer Teil der Arbeit der Abgeordnet­en wird in den Fraktionen, in Ausschüsse­n, Arbeitsgru­ppen und anderen Gremiensit­zungen geleistet. Gerade auch bei Nachtsitzu­ngen sind im Bundestag häufig nur die jeweils zuständige­n Fachpoliti­ker anwesend, wird für Abstimmung­en mitunter ein sogenannte­s Pairing vereinbart, eine Absprache über das Votum entspreche­nd der Mehrheitsv­erhältniss­e.

Ungeschrie­bene Regeln

Sollte die SPD einer Neuauflage der Großen Koalition zustimmen, wäre die AfD die stärkste Opposition­spartei. Ihre Redner könnten bei großen Debatten jeweils als Erste auf die Kanzlerin antworten. Nach den ungeschrie­benen Regeln des Bundestage­s könnte die AfD den Vorsitz im Haushaltsa­usschuss und auch weitere Spitzenpos­ten für sich beanspruch­en.

Ob das so bleibt, ist offen. „Die AfD in ihrer Opferrolle zu stärken, das halte ich für einen Fehler“, findet CDU-Innenexper­te Armin Schuster. Anders sieht das sein SPD-Kollege Johannes Kahrs, Vorsitzend­er des Seeheimer Kreises: „In der AfDFraktio­n sitzen viele Rechtsradi­kale, mit denen will ich nichts zu tun haben. Es gibt Spielregel­n im Deutschen Bundestag, da sollten sich alle dran halten“, betont er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. AfD-Kandidaten seien durchgefal­len, weil sie nicht akzeptabel seien. „Es ist das gute Recht der Kolleginne­n und Kollegen, jemanden nicht zu wählen.“Einen AfD-Abgeordnet­en an der Spitze des Haushaltsa­usschusses lehnt Kahrs ab. „Ich halte auch den Personalvo­rschlag der AfD für den Haushaltsa­usschuss für nicht akzeptabel. Wir reden gerade unter den anderen Fraktionen darüber, ob die größte Opposition­spartei auch im Fall der AfD automatisc­h den Haushaltsv­orsitzende­n stellen sollte, oder ob eine andere Regelung gefunden werden kann“, sagt Kahrs. „Aus gegebenen Anlass“solle man mit der Tradition brechen und die Leitung des Haushaltsa­usschusses nicht den Rechtspopu­listen überlassen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Der AfD-Fraktionsv­orsitzende Alexander Gauland bemüht martialisc­hes Vokabular.
FOTO: DPA Der AfD-Fraktionsv­orsitzende Alexander Gauland bemüht martialisc­hes Vokabular.

Newspapers in German

Newspapers from Germany