Russlands First Ladies im Fokus
Von angepasst bis politisch ambitioniert: Dokumentation über Frauen im Kreml
MAINZ (KNA) - Sind die First Ladies in Russlands Machtzentrale tatsächlich Randfiguren? Oder war ihr Einfluss doch stärker als bislang vermutet? „Gefangen im Kreml“lautet der Titel der Dokumentation, die das ZDF am Sonntag zeigt.
„Lobe niemals deine Frau, es bekommt ihr nicht“, soll ein Motto von Wladimir Putin lauten. Offenbar kein Einzelfall unter Russlands starken Männern. So behandelte der sowjetische Diktator Josef Stalin seine unmittelbare Umgebung mit der gleichen Menschenverachtung und Kälte, die er politisch an den Tag legte. Seine zweite Frau Nadeschda Allilujewa jedenfalls fristete hinter den Mauern des Kreml ein Schattendasein. Schon zu Zeiten von Stalins Aufstieg widersetzte sie sich seinen Weisungen. Als Sekretärin in Lenins Büro weigerte sie sich, diesen samt Gattin Nadeschda Krupskaja auszuspionieren. Ihren Abgang inszenierte sie spektakulär: Bei einem Festbankett zum Gedenken an die Oktoberrevolution ließ ihr Mann Stalin 1932 die Gläser „Auf die Vernichtung der Staatsfeinde“erheben. Nadeschda verweigerte sich, zog sich in ihre Gemächer zurück und beging dort Selbstmord.
Annette Baumeister spürt in ihrer Dokumentation noch weiteren Schicksalen von First Ladies im Kreml nach. Da gab es die Angepassten wie Viktoria Breschnewa, Frau von Leonid Breschnew. Als „pflegeleicht und unpolitisch“, bezeichnete sie ihr Gatte, von 1964 und 1982 Staatschef der Sowjetunion. Während Leonid seine Geliebte im gemeinsamen Haushalt unterbrachte und sich mit dem französischen Schauspieler Alain Delon verglich, bekämpfte Viktoria ihren Kummer mit Küchenarbeit. Ihre Stachelbeerkonfitüre, so hieß es, sei „erstklassig“gewesen.
Nina Petrowna Chruschtschowa dagegen war offenbar so etwas wie die heimliche Herrscherin in der Familie. Bei der USA-Reise ihres Mannes Nikita trat sie 1959 als menschliches Antlitz der Sowjetunion auf. Ansonsten beschränkte sie sich darauf, ihrem Mann möglichst unauffällig den Rücken freizuhalten. Dabei hätte sie sich in keiner Weise hinter ihm verstecken müssen. Die Lehrerin „gab dem ungeschlachten Schmiedesohn aus Kalinowka den geistigen Halt“, schrieb der „Spiegel“1984 in einem Nachruf über Nina.
Zwei „Kreml-Frauen“stechen besonders heraus: die schon erwähnte Nadeschda Krupskaja, die zu einer wichtigen Mitstreiterin Lenins wurde, und Raissa Gorbatschowa, die mit Michail Gorbatschow eine Partnerschaft auf Augenhöhe führte. Krupskaja wurde von Stalin ins Abseits gestellt, Gorbatschowa scheiterte letzten Endes an den Konventionen in ihrer Heimat. Im Westen hoch geachtet, brachte die russische Gesellschaft wenig Verständnis für die Ambitionen der Präsidentengattin auf. Als „Objekt 111“beschattete sie der KGB, viele Frauen schauten lediglich voller Neid auf Raissas modische Kleidung.
Recht lange verweilt die Dokumentation bei Wladimir und Ljudmila Putin. Ljudmila wird als die einzige der „Kreml-Frauen“beschrieben, die sich aus dem „Bann der Macht“befreien konnte, allerdings zu einem hohen Preis. Sie verschwand komplett aus der Öffentlichkeit, nachdem sie das Aus ihrer Ehe verkündet hatte – neben einem seltsam linkisch dastehenden Wladimir Putin.