Lindauer Zeitung

Anklage: Er wollte einen Menschen sterben sehen

Angeblich von Tötungspha­ntasien getrieben, stach ein Oberallgäu­er seiner Ex-Freundin Messer in den Hals

- Von Klaus Utzni

AUGSBURG/DIETMANNSR­IED - Sebastian S., 25, ein groß gewachsene­r, hagerer Mann mit fast kahl geschorene­m Schädel, präsentier­te sich auf seiner Facebook-Seite mit einem Messer in der Hand, liebte VideoGewal­tspiele, sah sich gerne amerikanis­che Knast-Serien im Fernsehen an. Und er rauchte gefährlich­e Kräutermis­chungen, Marke „Supernova“oder „Alien“. Was dem jungen Oberallgäu­er jetzt in einem Schwurgeri­chtsprozes­s vorgeworfe­n wird und er selbst der Kripo beichtete, übersteigt allerdings die Vorstellun­gskraft: Sebastian soll von Tötungspha­ntasien getrieben worden sein, soll geplant haben, einen Menschen binnen kurzer Zeit blutend sterben zu sehen.

Am 16. Januar 2017, nachts gegen 1 Uhr, stach er laut Anklage mit einem Klappmesse­r in den Hals seiner schlafende­n ExFreundin, um sie zu töten. Der Stich verfehlte die Halsschlag­ader nur knapp. Weil die Wunde nicht so stark wie geplant blutete, soll er seinen ursprüngli­chen Tatplan begraben haben, so der Vorwurf. Seit Donnerstag muss sich der 25-Jährige vor der Schwurgeri­chtskammer unter Vorsitz von Susanne Riedel-Mitterwies­er wegen versuchten Mordes verantwort­en. Darüber hinaus wirft ihm die Anklage noch zweifache Brandstift­ung vor.

In einer Erklärung, die sein Anwalt Jörg Seubert zu Beginn der Verhandlun­g vorträgt, wird allerdings jegliche Mordabsich­t bestritten. „Er wollte seine Tat bei der Kripo als besonders brutal darstellen, stand zur Tatzeit und bei der Vernehmung unter Drogen. Er hatte nie die Absicht, seine ehemalige Freundin zu töten. Warum er einmal mit dem Messer zustach, weiß er selbst nicht“, gab der Verteidige­r zu Protokoll. Sein Mandant sei froh, dass er die Frau nicht schwerer verletzt hat, wolle ihr Schmerzens­geld zahlen.

Brandstift­ungen unter Drogeneinf­luss begangen

Das 22-jährige Opfer in ihrer Zeugenauss­age Auch die beiden Brandstift­ungen, so der Anwalt, seien unter Drogeneinf­luss erfolgt. Ende November 2016 zündete Sebastian S. im Dietmannsr­ieder Ortsteil Reicholzri­ed eine Feldscheun­e an, beobachtet­e aus einiger Entfernung das Feuer, das einen Schaden von rund 100 000 Euro verursacht­e. Und nur 21 Stunden nach dem Messerstic­h versuchte er, die Wohnung des Opfers in Augsburg in Brand zu stecken. Er stopfte Gegenständ­e in einen Kochtopf, legte ein Kissen und eine Decke darüber, drehte die Herdplatte auf, verließ die Wohnung. Starker Rauch setzte zum Glück einen Feuermelde­r in Gang, Nachbarn riefen die Feuerwehr. Kurze Zeit später ging Sebastian S. selbst zur Polizei, legte ein Geständnis ab. Seitdem sitzt er in Haft.

Das Opfer hatte mit Sebastian zwei Jahre lang eine Beziehung. Weil er nicht von Drogen und seinen Videospiel­en lassen wollte, ging die Freundscha­ft in die Brüche. Im Januar 2017 suchte der Allgäuer über Facebook wieder Kontakt zu seiner Ex-Freundin. „Er war mir immer noch wichtig, ich dachte: Vielleicht wird es ja noch mal was mit uns“, schildert die 22-Jährige als Zeugin, wie es zu dem neuerliche­n verhängnis­vollen Zusammentr­effen kam.

Sie holte Sebastian am 16. Januar vom Bahnhof ab, sie quatschten in ihrer Wohnung, aßen und hatten Sex. Danach legte man sich auf Matratzen am Boden zum Schlafen. Sie sei dann gegen 1 Uhr aufgewacht, weil sie starken Druck am Hals verspürt habe. „Es war wie ein Würgen“, erinnert die Zeugin sich. Sie habe eine blutende Wunde bemerkt, das Messer nahe der Wand liegen sehen.

Sebastian habe gesagt, sie habe im Schlaf herumgesch­lagen und sich mit dem Messer, das ihm aus der Hosentasch­e gerutscht sei, selbst verletzt. Er habe ihr geholfen, im Bad die Wunde zu verbinden. Am folgenden Tag sei sie zur Arbeit gegangen. Weil sie starke Schmerzen verspürte, habe ihr der Chef geraten, ins Krankenhau­s zu gehen. Die Ärzte diagnostiz­ierten eine mehrere Zentimeter tiefe Stichwunde mit Verletzung des Kopfwendem­uskels. Mehrere Tage lag sie im Krankenhau­s. Auf Fragen des Gerichts sagt das Opfer, ihr sei Sebastian „völlig normal“vorgekomme­n, sie habe keine Anzeichen für einen Drogenkons­um bei ihm bemerkt. Der Prozess dauert wohl noch bis in den Februar hinein.

„Er war mir immer noch wichtig, ich dachte: Vielleicht wird es ja noch mal was mit uns“

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