Streif-Sieger Dreßen ist Deutschlands neue Ski-Hoffnung
Die Skiwelt verneigt sich nach seinem Sensationssieg auf der Streif vor Thomas Dreßen
KITZBÜHEL (dpa) - Ein Sieg bei der Abfahrt in Kitzbühel ist das Größte, was ein Skirennfahrer erreichen kann – und der gebürtige Mittenwalder Thomas Dreßen (Foto: dpa) gewann dort am Samstag als krasser Außenseiter. Genau 39 Jahre nach dem letzten deutschen Sieg raste der 24-Jährige auf der legendären Streif zum Triumph. „Im Ziel habe ich es gar nicht glauben können, ich dachte, die wollen mich verarschen“, sagte Dreßen danach.
KITZBÜHEL (SID/dpa) - Ein Sieg bei der Abfahrt in Kitzbühel ist das Größte, was ein Skirennfahrer im Weltcup erreichen kann. Ein paar Stunden nachdem er so schnell wie kein anderer die legendäre Streif hinuntergerast war, begriff Thomas Dreßen am Samstag endgültig die Bedeutung dieses Sieges. Als Letzter wurde der Skirennfahrer aus Mittenwald zur Siegerehrung gerufen, er sprang übermütig aufs Podest, brüllte „Yeah“, stieß mehrfach die Fäuste in die Höhe – und blickte dann vom Balkon des Zielhauses auf mindestens 20 000 Menschen. Sie jubelten ihm zu, als er die wuchtige goldene Gams hochstemmte, und auch noch einmal, als die deutsche Hymne verklungen war und er zu ihnen hinunterwinkte.
Auf den Tag genau 39 Jahre nach Sepp Ferstl hat mal wieder ein Deutscher das Hahnenkammrennen gewonnen. Ein, für einen Abfahrer, mit 24 Jahren noch fast blutjunger und weithin recht unbekannter Skirennfahrer zumal. Und das drei Wochen vor der Abfahrt bei Olympia! Seine Rolle als Geheimfavorit ist Dreßen, der in dieser Saison schon ein paarmal mit mehr als nur soliden Resultaten aufhorchen ließ, damit los. „Das lässt sich jetzt nicht wegdiskutieren: Wenn du Kitzbühel gewinnst unmittelbar vor Olympia, dass du dann einer der Favoriten bist, ja klar“, sagte Cheftrainer Mathias Berthold, der die deutschen Abfahrer in dreieinhalb Wintern aus dem Nichts auf dieses Niveau gehoben hat.
Die ersten Gedanken galten dem viel zu früh verstorbenen Vater
Was da am Samstagnachmittag zunächst selbst von den Schönen und Reichen auf der VIP-Tribüne bejubelt wurde, war nichts Geringeres als eine Sensation, und Dreßen fand kaum Worte dafür. „Einfach nur geil“, sagte er, „es war immer ein Traum von mir, mal eine WeltcupAbfahrt zu gewinnen, auch Kitzbühel, dass ich das jetzt auf einen Streich geschafft hab, ist einfach nur unglaublich.“Viel mehr Worte, um seine Emotionen zu beschreiben, fand er nicht. Wie auch? „Kitschiger geht’s nimmer, unglaublich“, bekannte er. Danach ging’s rund: Feier mit Familie, Freunden und Trainern im Rasmushof im Zielgelände, ein Besuch im VIP-Gebäude nebenan inklusive Plausch mit Sebastian Vettel. Dort traf er auch Arnold Schwarzenegger. Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone fiel ihm um den Hals. Schließlich verschwand Dreßen in die Nacht, Besuch im legendären „Londoner“inklusive. „Dreimal Weihnachten und Ostern“, befand Alpinchef Wolfgang Maier über die Feier und sagte ansonsten über Dreßen: „Jetzt ist er schon eine kleine Legende.“
Die hatte während des Rennens freilich auch ein bisschen Glück gehabt. Als er sich um 12.26 Uhr aus dem Starthaus auf die 3312 m lange Streif katapultierte, war gerade die Sonne herausgekommen. Und bessere Sicht bedeutet, vor allem auf der supersteilen Streif: bessere Zeiten. „Er hat das schamlos ausgenutzt“, sagte Österreichs Superstar Hannes Reichelt, der Dritter hinter Dreßen und Weltmeister Beat Feuz (Schweiz) wurde – und nicht ganz unbeteiligt war an der Triumphfahrt des Deutschen: Denn Reichelt, der Sieger von 2014, hatte am Vortag die Wahl zwischen den Startnummern 1 und 19 gehabt. Er wählte die 1, für Dreßen blieb die 19 – ein Glücksfall. Gleich nach Dreßen war auch Andreas Sander drauf und dran, aufs Podest zu fahren. Er patzte auf den letzten Metern, wurde aber noch hervorragender Sechster.
„Wer weiß, vielleicht hat von oben wer zugeschaut und die Sonne ein bisschen mehr scheinen lassen bei mir“, sagte Dreßen. Eine Anspielung auf seinen Vater Dirk, der im September 2005 bei einem Seilbahnunglück in Sölden ums Leben gekommen war. Ihm zu Ehren prangt die „44“auf Dreßens Helm, sie steht für „DD“, also zweimal den vierten Buchstaben des Alphabets.
Der Gedanke an den Vater sei ihm auch diesmal gekommen, als er im Ziel kurz aufs Knie ging, aber: „Der Dank geht nicht nur nach oben, sondern auch zu meiner Mama. Wenn die mich nicht so unterstützt hätte und hinter mir gestanden wäre, wäre ich jetzt nicht da.“