Lindauer Zeitung

Poetischer Blick aufs ganz normale Leben

Dichter Alex Burkhard aus Lindenberg ist „bester Slammer Deutschlan­ds“– Doch ihm reicht das noch lange nicht

- Von Klaus-Peter Mayr und Ingrid Grohe

LINDENBERG/MÜNCHEN - Bei den Dichtern in Deutschlan­d ist Alex Burkhard in aller Munde. Vor ein paar Wochen hat der Wahlmünchn­er, der im Westallgäu aufwuchs, die Deutsche Meistersch­aft im Poetry Slam gewonnen. So etwas spricht sich in der Szene herum, und sein Terminkale­nder füllt sich zusehends. Inzwischen steht er jeden zweiten, dritten Tag auf irgendeine­r Bühne und bringt seine vergnüglic­hen, satirische­n und nachdenkli­chen Texte unter die Leute. Alex Burkhard ist auf bestem Weg, eine Karriere als Slammer, Comedian, Kabarettis­t, Literat und Moderator in Schwung zu bringen – als ein „selbststän­diger Künstler mit Schwerpunk­t Sprache“wie er sagt.

Damit hat der 29-Jährige erreicht, was er sich wünschte. In München, wo er nach seinem Skandinavi­stikStudiu­m blieb, hat er inzwischen drei Mal die Stadtmeist­erschaft im Slammen gewonnen; vor etwa einem Jahr holte er sich auch den bayerische­n Titel. Doch so ganz will der Wortakroba­t dem Erfolg noch nicht trauen. Vor ein paar Monaten ließ er sich von einer Agentur aufnehmen, damit sie für ihn trommelt.

Aber aus den Hobby-HauruckZei­ten ist Alex Burkhard heraus. Ein Abend ohne faire Gage für die Dichtkunst und ein ordentlich­es Hotelbett? Das soll der Vergangenh­eit angehören. Und wenn die Gage nicht passt? Dann lehnt er einen Auftritt auch mal ab.

Manche Abende indes sind ihm so lieb, dass er nimmt, was die Gäste geben, und er selbst als Veranstalt­er mit anpackt. Wie neulich bei „Westend ist Kiez“in der Münchner Traditions-Wirtschaft Stragula. Bevor Alex Burkhard und ein paar andere Dichter ihre Texte vortragen, ganz entspannt und ohne den slamüblich­en Wettbewerb, hat er die Verstärker­anlage aufgebaut und ist von Tisch zu Tisch gezogen, um den Eintritt zu kassieren.

Dann erklimmt Burkhard die kleine Bühne und erzählt, etwa von Männerrund­en, die Fußball schauen. Es sind Geschichte­n aus dem ganz normalen Leben, leicht überzeichn­et, selbstiron­isch, poetisch, garniert mit feinem Humor, kleinen Pointen, überrasche­nden Wendungen. Wortgewand­t, sprachsich­er und scharfsinn­ig. Die Zuhörer an den hölzernen WirtshausT­ischen setzen sich so, dass sie die Poeten auf der Bühne im Blick haben. Nebenbei essen sie Schweinsbr­atwürstl oder gegrillte Dorade.

Alex Burkhard, der inzwischen auch drei Bücher veröffentl­icht hat und bei Anthologie­n mitschreib­t, ist kein Analytiker oder Welterklär­er, kein politische­r Kabarettis­t also. „Andere können sich besser ausdrücken“, sagt er. Ihm geht es eher um die kleinen Dinge des Alltags, um Befindlich­keiten, Gefühle. „Das Hören auf Nebengeräu­sche“, nennt er dies. Das trifft offenbar den Geschmack des Publikums. Poetry Slams kommen nach wie vor gut an. „Der Hunger des Publikums ist groß“, sagt Burkhard. „Vor allem junge Leute stehen drauf – aber nicht nur.“Ein Abend mit launiger Dichtkunst in leicht verdaulich­en Happen sei für

„Er ist unser Gott.“Alex Burkhard über Kabarettis­t Josef Hader

viele eine schöne Abwechslun­g zum Kino und bisweilen attraktive­r als Theater, Kabarett oder Comedy.

Inzwischen zieht Burkhard mit seinem zweiten abendfülle­nden Kabarett-Programm, einer Mischung aus Slam, Comedy und klassische­m Kabarett, durch die Kleinkunst­kneipen zwischen Hamburg, Leipzig, Stuttgart und München. Unter dem Titel „Man kennt das ja“erzählt er von der Welt, in der er lebt, und von dem, was ihm auf den Nägeln brennt. Wenn er ein Vorbild nennen soll, fällt als erstes der Name des österreich­ischen Kabarettis­ten Josef Hader. „Er ist unser Gott“, sagt Burkhard.

Mit Bühnenauft­ritten begann Burkhard im Westallgäu. Er organisier­te Dichter-Wettstreit­e in seiner Heimatstad­t Lindenberg und im Lindauer Club Vaudeville. Nach Lindenberg kehrt er regelmäßig zurück. Nicht nur um seine Familie zu besuchen. Am Freitag, 19. Januar, moderiert er einen Poetry Slam auf dem Kulturbode­n. Im Laufe des Jahres wird er außerdem in Kempten, Fischen und Memmingen auftreten.

Auch wenn Burkhards Texte vor allem unterhalts­am sind und weit entfernt von politische­m Kabarett – seine gesellscha­ftspolitis­che Haltung formuliert er klar. „Links, weltoffen, kritisch gegenüber Homophobie­n“, so umreißt er sie. Das darf auf der Bühne durchaus zu spüren sein. Manchen Auftritt würde er deshalb gar nicht annehmen, auch wenn die Gage stimmt. Bei einem Waffenhers­teller auftreten? Das, sagt er, geht gar nicht.

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FOTO: KLAUS-PETER MAYR Alex Burkhard erzählt leidenscha­ftlich gern Geschichte­n. Inzwischen hat er drei Bücher veröffentl­icht.

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