Kritik an Chinas Klon-Affen
Erstmals erfolgreich geklonte Affen aus China lösen Ethik-Debatte aus
Rund 22 Jahre nach der Geburt des Klonschafs Dolly haben chinesische Forscher erstmals entsprechende Affen (Foto: Qiang Sun and Mu-ming Poo/Chinese Academy of Sciences/dpa) präsentiert. Zwei geklonte Javaneraffen seien lebendig geboren worden, berichtete das Fachmagazin „Cell“. Kritik kam von Peter Dabrock, dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats. Er habe den Eindruck, dass in China eine Strategie gefahren werde, „die genetischen Grundlagen menschlichen Lebens zu bearbeiten“, erklärte der Theologe von der Uni Erlangen am Mittwoch.
SCHANGHAI (dpa) - Im Jahr 1996 wurde das Klonschaf Dolly geboren, 22 Jahre später haben chinesische Forscher nun erstmals mit derselben Methode Affen geklont. Die zwei Javaneraffen Zhong Zhong und Hua Hua seien lebendig geboren worden und hätten zumindest die ersten Wochen überlebt, berichtet das Team im Fachmagazin „Cell“. Obwohl die bei Dolly verwendete Technik in den vergangenen Jahrzehnten bei mehr als 20 Tierarten wie Kühen, Schweinen und Hunden gelang, waren Forscher mit dieser Methode bislang an Affen gescheitert.
Wie bei Dolly übertrugen die chinesischen Forscher den Zellkern samt Erbgut von einer Zelle des Spendertiers in eine Eizelle, die zuvor entkernt wurde. Diese wurde einer Leihmutter eingesetzt, die den Klon austrug. So lassen sich theoretisch viele genetisch gleiche Tiere erzeugen. Zwar war schon 1999 ein Labor-Affe auf die Welt gekommen, der dieselben genetischen Informationen besaß wie ein Artgenosse. Das Klontier war jedoch aus der einfachen Teilung der befruchteten Eizelle im Labor hervorgegangen – ähnlich wie bei eineiigen Zwillingen.
Das Team um Qiang Sun von einem Institut der staatlichen Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai wandte nun ein erweitertes Dolly-Verfahren für die Javaneraffen (Macaca fascicularis) an. So bereitete es die DNA-Erbgutstränge speziell auf die anschließende Übertragung in die Eizelle vor.
Wie die Forscher schreiben, waren viele Versuche nötig: Von knapp 200 aus dem Erbgut erwachsener Affen gewonnenen Embryonen kam es bei 42 Leihmuttertieren, denen die Forscher die Zellen einsetzten, zu zwei Lebendgeburten. Allerdings starben diese Affenbabys wenige Stunden später. Mehr Erfolg hatten die Forscher bei gut 100 Embryonen, die auf dem Erbgut von Affen-Föten beruhten. In dieser Gruppe kam es bei 21 Leihmüttern zu sechs Schwangerschaften. Zwei Jungtiere kamen lebendig zur Welt und überlebten mindestens die ersten 40 sowie 50 Tage, dann schrieben die Forscher den Fachartikel.
Für den Theologen Peter Dabrock von der Uni Erlangen, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrats ist, stellen sich durch die neuen Klonerfolge „massive“ethische Fragen. Es sei zum Beispiel offen, wie gesund die beiden überlebenden Affenjungen tatsächlich sind – geklonte Tiere leiden in der ersten Generation oftmals an Erkrankungen.
Spiel mit dem Nationalstolz
Die Namen der Affen Zhong Zhong und Hua Hua haben eine ganz besondere Bedeutung, wie das Journal „Cell“in einer Mitteilung berichtete. Zhonghua heiße so viel wie „chinesische Nation“. Dieses Spiel mit dem Nationalstolz deute an, dass es bei den Versuchen nicht nur um Forschungsfortschritt ging, sondern „vor allem um Prestige und andere nicht-hochrangige Ziele“, kritisiert Dabrock. „So etwas sollte nicht auf Kosten solch sensibler Wesen gehen und ist ethisch problematisch.“Zudem befürchte er, dass in China „eine umfängliche Strategie gefahren wird, die genetischen Grundlagen menschlichen Lebens zu bearbeiten“, erklärt der Ethiker. „Wie damit
umzugehen ist, ist aber nicht nur eine Aufgabe für chinesische Regulationen, sondern eine Menschheitsfrage.“Der Bundesverband Menschen für Tierrechte befürchtet eine Welle von neuen Affenversuchen. Denn nun sei es einfacher geworden, standardisierte genetisch veränderte Tiermodelle zu züchten und für die biomedizinische Grundlagenforschung zu missbrauchen, sagt Referentin Carolin Spicher.
Doch es gibt auch Stimmen, die die neuen Ergebnisse als wichtigen
Schritt für die Wissenschaft ansehen. So etwa Eckhard Wolf vom Genzentrum der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Er ist der Meinung, für die Erforschung neuer Therapien etwa gegen einige neurologische Krankheiten sei die Klontechnik vielversprechend. Mit der Methodik sei es möglich, mehrere genetisch identische Versuchstiere zu untersuchen, was etwa für die Entwicklung neuer Arzneimittel hilfreich sein könne. Wie bei jedem Tierversuch stellt sich laut Wolf aber auch die Frage, wie groß die Belastung für die Tiere im Vergleich zur Bedeutung der Forschung ist. „Wenn es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, für die man durch solche Versuche berechtigte Hoffnung auf Heilungen haben kann, dann kann es gerechtfertigt sein.“Schon der große Aufwand und die geringe Erfolgsquote stellen seiner Einschätzung nach sicher, dass die Technik nur eingesetzt wird, wenn sie dringend erforderlich ist. Er selbst plane keine derartigen Versuche bei Affen. „Mit Sicherheit nicht – wir bleiben beim Schwein“, so Wolf.
In Einzelfällen ethisch vertretbar?
Auch Daniel Besser, Geschäftsführer des Deutschen Stammzellnetzwerks, sieht die Ergebnisse der chinesischen Kollegen als bedeutend an. Aufgrund von Fälschungsskandalen bei früheren Klonversuchen rät er jedoch zur Vorsicht. „Erst wenn sich die Ergebnisse in verschiedenen Laboren der Welt bestätigen lassen, ist klar, dass sie stimmig sind.“Seiner Einschätzung nach könnten Experimente an geklonten Javaneraffen in Einzelfällen ethisch gerechtfertigt sein – aber nicht bei Menschenaffen.
„Wir sind uns bewusst, dass zukünftige Forschung an nichtmenschlichen Primaten überall auf der Welt davon abhängt, dass Wissenschaftler strikte ethische Standards einhalten“, erklärte der an der neuen Studie beteiligte Neurologe Mu-ming Poo in einer Pressemitteilung. Er betont, dass sein Team sich an internationale Richtlinien gehalten habe. Gleichzeitig ruft er Wissenschaftler auf, die ethischen Grenzen von Klonversuchen an Affen international zu diskutieren.