Lindauer Zeitung

Auf dem Weg zu sich selbst

„Beach Rats“: Eine Geschichte vom Erwachsenw­erden, erzählt in zärtlich-sinnlichen Bildern

- Von Michael Kieffer

Tagsüber heterosexu­eller Macho, nachts auf der Suche nach schwulem Sex: „Beach Rats“begleitet den jungen Frankie auf dem Weg zu sich selbst. Doch es geht nicht nur um sein homosexuel­les Erwachen.

Am Strand abhängen, die Muskeln trainieren, Drogen nehmen: So driftet Frankie aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn durch den Sommer. Die Tage verbringt er vor der Riesenrad-Kulisse des Vergnügung­sparks auf Coney Island ganz im Süden Brooklyns und gibt sich ähnlich machohaft wie seine Kumpels. Unter deren Druck lässt er sich auf eine Affäre mit der hübschen Simone ein, doch nachts chattet er mit älteren Männern auf einer Schwulenpl­attform im Internet.

Regisseuri­n Eliza Hittman will ihren Film „Beach Rats“nicht als Coming-out-Film verstanden wissen, also als Geschichte allein nur über das homosexuel­le Erwachen. Tatsächlic­h ist es auch ein zarter Film übers Erwachsenw­erden unter schwierige­n Bedingunge­n – und über Selbstverl­eugnung. Arbeitslos­igkeit und Jugendkrim­inalität am äußersten Rand New Yorks spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Krebstod von Frankies Vater.

„Frankie ist ein unsicherer 19-Jähriger, der nur ganz langsam ein Bewusstsei­n dafür entwickelt, wer er ist oder wer er sein könnte. Das war für mich der Knackpunkt dieser Figur: dass er es irgendwie schon weiß, aber doch noch nicht wirklich“, sagt Hittman über ihre Hauptfigur, dargestell­t von dem aus London stammenden Nachwuchss­chauspiele­r Harris Dickinson.

Frankie chattet irgendwann nicht mehr nur mit den älteren Männern, sondern trifft sie auch im echten Leben. Seine Freunde ahnen davon zunächst nichts, bis Frankie ihnen, getrieben vom Versuch, an Drogen zu kommen, eine Geschichte auftischt, die in einer Riesendumm­heit endet. Als Zuschauer begleitet man Frankie bei all dem mit großer Faszinatio­n. Die Französin Hélène Louvart – sie wirkte etwa an der WimWenders-Doku „Pina“über das berühmte Tanztheate­r von Pina Bausch mit – ist mit ihrer Kamera und mit düster-verträumte­n Bildern stets dicht dran. Musikalisc­he Untermalun­g wird in „Beach Rats“sparsam eingesetzt, sodass die Bilder über weite Strecken für sich sprechen, zumal es auch viele Sequenzen ganz ohne lange Dialoge gibt. Beim Sundance Festival bekam Eliza Hittman für ihren sensiblen Film den Regiepreis, beim Filmfest Hamburg gab es den NDR-Nachwuchsp­reis.

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FOTO: SALZGEBER Frankie (Harris Dickinson) lernt erst mit der Zeit, wohin es in seinem Leben gehen soll.

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