Beeindruckende Stimmen, fehlende Gänsehaut
„Sissi – Das Musical über Liebe, Macht und Leidenschaft“reißt im Stadttheater niemanden vom Sitz
LINDAU - Was hätte ein Applausometer angezeigt? Höflichen und wohlwollenden Beifall für „Sissi – Das Musical über Liebe, Macht und Leidenschaft“. Das Musical war kurzfristig in das Lindauer Stadttheater verlegt worden, da der ursprünglich geplante Aufführungsort – die Inselhalle – ausfiel.
Die Produktion versuchte, mit Sissi-Kitsch und Plattitüden das Leben einer Legende, der Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn Elisabeth Amalie Eugenie, widerzuspiegeln – eine Interpretation, der leider der Tiefgang fehlte. Denn, wie das Musical „Elisabeth“beweist, hätte der Stoff durchaus das Potenzial dazu.
Großer Pluspunkt des Abends waren die durchgängig guten bis herausragenden Stimmen der Darsteller. Besonders Fedi Peters als sympathische und kindlich-naive Sissi überzeugte mit ihrer stimmlichen Vielfalt. Ebenso das Duett zwischen Tochter Sissi und ihrer Mutter Erzherzogin Ludovika, gesungen von Margot Loibnegger, berührte. Es zeigte die enge Bindung der beiden und die Schutzlosigkeit, der sich die junge Kaiserin am österreichischen Hof ausgesetzt fühlte.
Gesanglich solide und kraftvoll traten Fabian Klatt als Kaiser Franz Joseph sowie Erzherzog Max, Sissis Vater, der als herzensguter und unabhängiger Freigeist von Alois A. Walchshofer gespielt wurde, auf.
Verbittert und streng
Kaiserin und Schwiegermutter Erzherzogin Sophie beeindruckte als verbitterte und strenge Monarchin, von Adelheid Brandstetter mit klassisch geschulter Stimme kalt präsentiert. Komödiantisch und das Publikum erheiternd Sissis Adjutant Major Krespl, der als Wiener Original daherkam und in Philipp Landgraf eine witzige Entsprechung fand.
Tenor Marco Antonio Lozano als Graf Andrássy: stimmgewaltig, aber kein feuriger Ungar. Choreografisch (Renata Szeretva) erfreute der bayrische Schuhplattler, war er doch beinahe schon eine witzige Parodie bajuwarischen Frohsinns.
Insgesamt jedoch war das Musical von George Amadé (Musik) und Jean Müller (Text) eine irritierende musikalische Mischung aus Musical, Lehar-Operette und Schlager, die Begleitmusik vom Band übergangslos geschnitten und in der Abschlussszene als reiner Playbackchor auf die Bühne gebracht. Es fehlten die Gänsehautmomente, zu viel Klischee, zu wenig Emotion. Da halfen auch die aufwändig und prächtig geschneiderten Kostüme nicht. Schade für die Sängerinnen und Sänger – ihre Stimmen hätten ein liebevolleres Ambiente verdient.