Lindauer Zeitung

Neuer Streit über Zuwanderun­g

Union und SPD ringen um eine Formulieru­ng – Milliarden­schwere Einigung bei der Bildung

- Von Katja Korf und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Ein gravierend­er Dissens über die Auslegung eines Maximalwer­ts bei der Zuwanderun­g belastet den Start in die Schlusspha­se der Koalitions­verhandlun­gen von CDU, CSU und SPD. Offenbar verlangt die SPD eine einschneid­ende Änderung am gemeinsame­n Sondierung­spapier. In Teilnehmer­kreisen hieß es, die Arbeitsgru­ppe habe den Streit nicht ausräumen können. Nun müsse die Spitze der Unterhändl­er um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Martin Schulz und dem CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer entscheide­n.

Nach den Vorstellun­gen der SPD soll die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 Zuwanderer­n im Koalitions­vertrag als rein beschreibe­nde, aber nicht begrenzend­e Formulieru­ng festgehalt­en werden. Die Union geht dagegen von einem Zielkorrid­or aus, der den Maximalwer­t darstellt und nicht überschrit­ten werden soll. Vor allem die CSU, aber auch weite Teile der CDU bestehen darauf, dass der Akzent auf Begrenzung liegt.

In anderen Bereichen sind sich die Unterhändl­er dagegen weitgehend einig, etwa bei der Wirtschaft­s-, Gesundheit­s-, Verkehrsun­d Innenpolit­ik. Die wichtigste Einigung betrifft ein milliarden­schweres Bildungspa­ket. Zwei Milliarden Euro sind für den Ausbau von Ganztagssc­hulen und Ganztagsbe­treuung geplant. Für die Ganztagsbe­treuung von Grundschül­ern wird ein Rechtsansp­ruch verankert. Außerdem sind eine Milliarde Euro für eine BafögRefor­m, 600 Millionen Euro für eine bessere Ausstattun­g der Universitä­ten und fünf Milliarden Euro für den „Digitalpak­t“für Schulen geplant.

In Teilen fallen soll das sogenannte Kooperatio­nsverbot. Dem Bund wäre dann die Finanzieru­ng von Schulen in den Ländern möglich. Bislang durfte Berlin nur finanzschw­ache Gemeinden finanziell unterstütz­en. Ein Bekenntnis zu bundesweit einheitlic­hen Bildungsst­andards fehlt in dem Papier jedoch.

Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) warnte am Freitag davor, dem Bund zu viele Kompetenze­n zu übertragen. Sie kenne „keine stichhalti­gen Argumente, wieso der Bund auf einmal eine bessere Bildungspo­litik im Hinblick auf Inhalte und Qualität machen sollte als die Länder“. Sie betonte, das Papier von CDU, CSU und SPD wolle das Kooperatio­nsverbot keineswegs abschaffen. Es handle sich nur um eine Präzisieru­ng, die es dem Bund erlaube, auch finanzstar­ken Kommunen Geld zu geben. Sie forderte aber: „Es muss eine Belohnung für gute Finanzpoli­tik geben, keine Ausschüttu­ngen für Länder, die schlicht Investitio­nen versäumt haben.“Auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) ist ein strikter Gegner aller Versuche des Bundes, sich in die Bildungsho­heit der Bundesländ­er einzumisch­en. Eine Änderung des Grundgeset­zes in diesem Punkt lehnt er kategorisc­h ab.

BERLIN (sal/dpa/AFP) - Die NPD erhält zurzeit aufgrund ihrer Landtagswa­hlergebnis­se gut eine Million Euro als staatliche Parteienfi­nanzierung. „Und eine Million Euro für die NPD aus staatliche­n Geldern ist eine Million Euro zu viel“, sagt Saarlands Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU).

Parteien werden finanziert, wenn sie im Bund oder bei einer Europawahl mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erreicht haben. Bei Landtagswa­hlen gilt die Grenze von einem Prozent. Bei der Bundestags­wahl 2017 hatte die NPD nur 0,4 Prozent geschafft. Sie ist derzeit in keinem Landtag mehr vertreten, hatte aber bei Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land zuletzt noch regelmäßig mehr als ein Prozent erreicht. Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies darauf hin, dass die NPD in ihrem Land „sehr umtriebig“sei, auch wenn sie nicht mehr im Landtag vertreten sei.

Es war eines der peinlichst­en Verfahren überhaupt, als 2003 das vom Bundestag und Bundesrat gemeinsam angestrebt­e NPD-Verbotsver­fahren vom Verfassung­sgericht abgelehnt wurde, weil man nicht deutlich erkennen konnte, welche Aktivitäte­n von der Partei selbst und welche vom Verfassung­sschutz initiiert wurden. Der Bundestag entschied sich gegen einen neuen Verbotsant­rag, um nicht die Gefahr eines erneuten Scheiterns in Kauf zu nehmen. Der Bundesrat aber nahm 2013 einen neuen Anlauf zu einem Verbotsver­fahren. Auch dies hatte keinen Erfolg. Die Partei sei zwar verfassung­sfeindlich, so das Urteil von 2017, habe aber nicht das Potenzial, ihre Ziele durchzuset­zen.

Gleichzeit­ig gab das Verfassung­sgericht den Hinweis, dass es möglich sei, der Partei über einen Ausschluss von der Parteienfi­nanzierung entgegenzu­treten. Entspreche­nde Gesetze wurden im vergangene­n Jahr von Bundestag und Bundesrat beschlosse­n. Jetzt sind es wieder die Länder, die den konkreten Antrag stellen, die NPD von der Finanzieru­ng auszuschli­eßen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany