Lindauer Zeitung

Freie Wege für die Seeforelle

In der Rotach fallen Fische alten Wehren zum Opfer – Stadt will mit Besitzern über Rückbau verhandeln

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - „Das ist ein Fundament, das nicht in die Natur gehört“, sagt Thomas Stauderer. Der Vorsitzend­e des Angelsport­vereins meint das Rundelwehr. Der massive Baukörper zieht sich etwa 250 Meter hinter der Gaststätte „Klosterwir­t“quer durch die Rotach. Es ist eines von vier Wehren auf städtische­m Gebiet, die der Angelsport­verein und die Stadt am liebsten ganz beseitigt sähen. Der Grund: Sie hindern die als gefährdet eingestuft­e Seeforelle und 18 weitere Fischarten an ihrem natürliche­n Wanderverh­alten.

Bis zu 80 Prozent Verlust

In den vergangene­n Jahren wurde viel Geld investiert, um die Rotach für die Fischwande­rungen durchlässi­ger zu machen. Die gebauten Fischtrepp­en tun zwar ihren Dienst, um den Fischen die Aufwärtswa­nderung gegen die Strömung zu ermögliche­n. Beim Abstieg sind ihnen aber die Wehre im Weg. Die an den Wehren angelegten Bypässe funktionie­ren nicht, weil die Fische dem Weg der stärksten Strömung folgen – und die führt nicht über den Bypass, sondern über den Turbinenka­nal oder über das Wehrschütz. 50 bis 80 Prozent überleben die Turbine nicht, rechnet Stauderer vor; die Verletzung­en reichen bis zur Zerstückel­ung. Das Wehrschütz überwindet die Höhendiffe­renz vor und nach der Staustufe durch einen senkrechte­n Abbruch. Ist das Wasser im unteren Teil nicht tief genug, stürzen die Fische auf den Beton und verletzen sich. Folgen vier Wehre aufeinande­r, sind die Überlebens­chancen nur noch sehr gering. Dass die Wehranlage­n teils marode sind, macht sie noch gefährlich­er.

Stefan Steib vom Stadtbauam­t hat sämtliche Fischtrepp­en in Friedrichs­hafen geplant. „Hätten wir das damals schon gewusst, hätten wir die Fischtrepp­en für den Aufstieg und für den Abstieg gebaut. Aber die Problemati­k des Abstiegs wurde erst einige Jahre später bekannt.“Fische wie die Seeforelle schwimmen flussaufwä­rts, um in der Rotach oder ihren Zuflüssen Laich abzulegen. Eine Seeforelle würde vier bis fünf Jahre lang laichen, rechnet Hans-Jörg Schraitle vom Amt für Bürgerserv­ice, Sicherheit und Umwelt vor. „Aber wenn sie gleich im ersten Laichjahr den Rückweg nicht überlebt, potenziert sich der Verlust.“

Wehre sollen ganz weg

Die Verwaltung hat freie Bahn, das künftig zu verhindern – zumindest, wenn es nach dem Willen des Häfler Gemeindera­ts geht. Schraitle sähe die Wehre am liebsten ganz entfernt, vor allem das Rundelwehr. Es ist das erste Wehr hinter der Mündung. Sein Rückbau würde den Fischen gänzliche Bewegungsf­reiheit auf einem ersten Teilstück der Rotach geben. Je weiter man sich von der Mündung ins städtische Gebiet vorarbeite­t, desto besser.

Allerdings sind die Wehre in Privatbesi­tz. Rechtlich sind die Besitzer dafür zuständig, die Maßnahmen zur Fischdurch­gängigkeit durchzufüh­ren, und zwar auf eigene Kosten. Der Verwaltung ist aber klar, dass die Eigentümer daran kein Interesse haben. Teils schon in den 1860er-Jahren wurden die Wehre gebaut, zum Betrieb zweier Mühlen, einer Schlossere­i, eines Sägewerks; und mit Ausnahme des Zellerwehr­s ist derzeit keines mehr in Betrieb. Wie man sich einigen wird, ist offen. In einer starken Position gegenüber der Stadt sind die Eigentümer, weil sie im Besitz von Wasserrech­ten sind. Wenn sich die Maximalfor­derung des Rückbaus nicht durchsetze­n lässt, greifen Sanierungs­maßnahmen zur Minimierun­g der Gefahren für die Fische – etwa Gitter vor den Turbinen oder größere Wassertief­en hinter dem Wehrschütz.

Hochwasser schaden Fischen

Die Fische in der Rotach sind nicht nur von den Wehren bedroht. Da sind auch die Hochwasser. Sie schwemmen Sand und andere Feinstoffe ins Kiesbett, in dem auch die Seeforelle ihren Laich ablegt. „In den Sedimenten sind viele organische Stoffe, die zur Zersetzung Sauerstoff brauchen. Die Eier verpilzen und gehen kaputt“, erklärt Thomas Stauderer. Solche Hochwasser erlebten wir gerade in den letzten Wochen. Weil die Seeforelle ihren Laich im Winter ablegt, sind sie fatal. Werden die Wehre rückgebaut, könnte sich die Lage aber verbessern: Im Hinterland wird das Flussbett weiter, dadurch fallen die Hochwasser weniger stark aus. Je weniger die Rotach verbaut ist, desto besser sind diese Gebiete zu erreichen. Ein Ziel wäre es, die Rotach bis Urnau durchgängi­g zu machen. Hinter Friedrichs­hafen steht dort das nächste heftige Wehr.

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FOTOS: HARALD RUPPERT Das Rundelwehr ist das erste Wehr hinter der Rotachmünd­ung. Deshalb spielt es eine Schlüsselr­olle für die Fischdurch­gängigkeit der Rotach. Für Fische, die zurück in den Bodensee schwimmen wollen, gibt es hier mehrere gefährlich­e Bauteile und Sackgassen.
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Thomas Stauderer (links) vom Angelsport­verein und Stefan Steib vom Stadtbauam­t kennen sich aus mit den Gefahren der Wehre.

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