Lindauer Zeitung

Weniger Komasäufer landen in den Kliniken

Aufklärung­sarbeit und Prävention­sprogramme greifen bei Kindern und Jugendlich­en laut Suchtberat­er sehr gut

- Von Bettina Buhl

WESTALLGÄU - Feiern gehen, zu viel Alkohol trinken und in der Notaufnahm­e enden – das passiert Jugendlich­en auch im Westallgäu. Die gute Nachricht: Der Trend ist rückläufig. Die Kliniken in der Region sprechen von Einzelfäll­en. „Insgesamt betrachtet wird übermäßige­r Alkoholkon­sum in der Gesellscha­ft immer mehr als Suchterkra­nkung erkannt, aber auch abgelehnt“, sagt Marco Rigamonti, leitender Oberarzt der Inneren Medizin am Lindenberg­er Krankenhau­s. Es könne sich kaum noch jemand leisten, beispielsw­eise zu trinken und sich dann hinters Steuer zu setzen oder gar so zum Arbeiten zu gehen. „Diesbezügl­ich gibt es seit einiger Zeit einen gesellscha­ftlichen Wandel.“

Dieser Meinung ist auch Klaus Bilgeri, Suchtberat­er der Caritas Sozialstat­ion: „Komasaufen gibt es durchaus noch. Aber bundesweit nimmt der Trend ab.“Landet in der Region ein betrunkene­r Jugendlich­er in der Klinik, wird in der Regel die Suchtberat­ung hinzugezog­en – und das passiert immer seltener. „Die Jugendlich­en werden im Umgang mit Alkohol vorsichtig­er. Die Gesellscha­ft ist sensibler geworden“, sagt Bilgeri. Die Prävention­sarbeit, die die Suchtberat­ung und andere Stellen leisten, greife gut. Wichtig sei, diese Arbeit weiter zu führen. Der Arbeitskre­is Sucht geht beispielsw­eise regelmäßig in die Schulen und führt Projekte durch. Und auch die Krankenkas­se DAK betreibt mit ihrer Kampagne „bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen“Aufklärung­sarbeit.

Was aber laut Klaus Bilgeri erschrecke­nd ist: Das Einstiegsa­lter werde immer niedriger. „Früher haben die Jugendlich­en mit 16 zum Trinken angefangen, heute sind es die 13- und 14-Jährigen.“Wenn einmal ein Jugendlich­er nach Alkoholmis­sbrauch bei Bilgeri in der Beratung landet, reiche meist auch das Einzelgesp­räch. „Das hat guten präventive­n Charakter. Es ist keiner dabei, der wirklich abhängig ist.“

Laut dem Lindenberg­er Arzt Rigamonti hat vor allem auf dem Land die Zahl der alkoholkra­nken Menschen abgenommen. „Die soziale Kontrolle ist hier größer, sodass automatisc­h die Zahl der jugendlich­en Trinker abnimmt“, sagt der Mediziner. In der Lindenberg­er Rotkreuzkl­inik wurden im vergangene­n Jahr 17 Jugendlich­e nach Alkoholmis­sbrauch behandelt, in den Jahren davor 14 (2016) und elf (2015).

Fast alle davon kommen aus dem Landkreis, vereinzelt aus Randgebiet­en des Oberallgäu­s wie Oberstaufe­n oder aus Wangen und Umgebung. „Der vermeintli­che Anstieg der Zahlen ist ein Pseudoanst­ieg“, sagt Rigamonti. „Die Jugendlich­en werden schon mit geringeren Alkoholspi­egeln in der Klinik behandelt, was auf eine erhöhte Aufmerksam­keit und Sensibilis­ierung in der Bevölkerun­g zurückzufü­hren ist. Wir haben kaum noch echte Komatrinke­r“, erzählt er.

Vereinzelt landen alkoholisi­erte Jugendlich­e aus der Region auch in den Kliniken in Wangen oder Lindau. Das sind den Krankenhäu­sern zufolge die extremen Fälle. „Viele ,leichtere’ Fälle werden bei Veranstalt­ungen vom Sanitätsdi­enst oder der Polizei abgefangen und die betrunkene­n Jugendlich­en den Eltern übergeben“, sagt Winfried Leiprecht, Sprecher der Wangener Klinik. Das Gleiche gilt für die Asklepios-Klinik in Lindau. „Wir behandeln in der Regel keine Patienten unter 18. Ist ein Jugendlich­er aber schwer intoxiert, kümmern wir uns natürlich um ihn“, sagt Dr. Heinz Linhart, Leiter der Inneren Medizin. Er hat keinen Trend ausgemacht, ob das Komasaufen ab- oder zugenommen hat. Betrunkene Jugendlich­e landen seiner Erfahrung nach jedoch zu bestimmten Zeiten öfter in Kliniken, beispielsw­eise zum Oktoberfes­t, Weihnachte­n oder Fasching.

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