Lindauer Zeitung

Einmal weit aufmachen bitte

Selbst Pferde kommen nicht drumherum: Auch ihre Zähne müssen kontrollie­rt werden

- Von Leonie Merheim

BERLIN (dpa) - Auf den Zahnarztst­uhl legen können sich Pferde zwar nicht. Aber auch ihnen bleibt der Besuch beim Zahnarzt nicht erspart. Doch wie läuft die Behandlung bei diesen großen Tieren ab? „Erst einmal werden die Tiere sediert, um Verletzung­en im Maulbereic­h zu verhindern“, erklärt Kai Kreling vom Ausschuss für Pferde der Bundestier­ärztekamme­r. Gearbeitet wird nämlich mit elektrisch­en Zahnraspel­n, da die manuellen zu unpräzise sind. Um das Maul für die Behandlung zu öffnen, nutzen die Pferdezahn­ärzte Maulgatter. Diese werden wie ein Trensengeb­iss ans Maul herangefüh­rt, um es dann offen zu halten.

Zähne ziehen im Stall

Diese Methode ist heute üblich. Vor einigen Jahren sah das noch ganz anders aus. Da übernahmen traditione­ll Hufschmied­e die Aufgabe des Raspelns – dazu nutzten sie einfach die Raspel, die sie auch zum Kürzen der Hufe nehmen. Die heutige Pferdezahn­medizin ist aber ziemlich fortschrit­tlich. „Mittlerwei­le können Zähne auch im Stall gezogen werden, so dass die Tiere nicht extra in die Klinik gebracht werden müssen“, sagt Dieter Campe von der Tierärztli­chen Vereinigun­g für Tierschutz. Auch Implantate sind keine Seltenheit mehr.

Für Menschen gehört der Zahnarztbe­such zur Routine, aber dass auch Pferdezähn­e regelmäßig kontrollie­rt werden müssen, ist für viele Halter neu. Dabei wird der Besuch beim Pferdezahn­arzt immer wichtiger: „Das heutige Heu ist für die Pferde eigentlich zu weich“, sagt Tierärztin Nina Röding. „Das Gebiss wurde zur Zerkleiner­ung von Steppengra­s rund um die Uhr genutzt, heute fressen viele Pferde nur stundenwei­se Raufutter.“Daher nutzen sich die Zähne unregelmäß­ig ab und es bilden sich Haken, die abgeschlif­fen werden müssen.

Der Kontrollbe­such umfasst aber noch weitere Aufgaben. „Bei jungen Pferden muss kontrollie­rt werden, ob der Milchzahnw­echsel gut funktionie­rt hat“, sagt Dieter Campe. Sinnvoll sei dies bei Pferden ab drei Jahren. Aber auch ältere Pferde brauchen die regelmäßig­e Kontrolle. „Da kann es schon mal öfter vorkommen, dass ein Zahn gezogen werden muss oder die Zähne ausfallen“, erklärt Röding.

Pferdehalt­er können das frühzeitig nur schwer erkennen, allerdings gibt es einige Anzeichen. „Frisst das Pferd nicht mehr gerne oder bildet es kleine Röllchen aus dem Heu, sollte ein Tierarzt einen Blick ins Maul werfen“, rät Kai Kreling. Auch Halter können einen Teil des Mauls kontrollie­ren: die Schneidezä­hne. Schiebt man die Lippen beiseite, zeigt ein Kontrollbl­ick, ob die Schneidezä­hne gleichmäßi­g abgenutzt werden oder sich Verfärbung­en andeuten.

Normal ist, wenn Pferde unauffälli­g fressen und der Kiefer eine regelmäßig­e Mahlbewegu­ng zeigt. Um dies zu unterstütz­en, sollten Halter das Heu möglichst über einen langen Zeitraum zur Verfügung stellen. So können sie beispielsw­eise Heunetze aufhängen, aus denen die Tiere immer nur eine geringe Menge fressen, und so ihre Zähne kontinuier­licher abnutzen.

Die Zahnkontro­lle wird bei Pferden in der Regel einmal jährlich mit der Impfung zusammen erledigt. Falls nichts gemacht werden muss und der Tierarzt nur kontrollie­rt, zahlt der Halter durchschni­ttlich 25 Euro. Für eine Behandlung inklusive Abschleife­n fallen rund 100 Euro an. Die Kosten steigen dann je nachdem, was gemacht werden muss. Falls ein Zahn gezogen werden muss, liegen Halter mit den Kosten schnell im 1000-Euro-Bereich.

Die Operation dauert meist nicht länger als eine halbe Stunde. Danach muss das Pferd aber noch beaufsicht­igt werden und darf erst einmal nichts fressen, da es sich erst vollständi­g von der Narkose erholen muss.

Auf die Ausbildung achten

Die Suche nach dem geeigneten Pferdezahn­arzt ist für Halter nicht ganz einfach. Bei den behandelnd­en Tierärzten müsse man zwischen zwei Arten von Zahnärzten unterschei­den. Auf der einen Seite gebe es Fachtierär­zte für Zahnheilku­nde und auf der anderen Seite sogenannte Pferdedent­isten. „Nicht jeder, der in der Branche arbeitet, hat auch eine Hochschula­usbildung oder ist staatlich geprüft“, warnt Dieter Campe. Die meisten, die keine spezielle Ausbildung haben, bezeichnen sich oft als Pferdedent­isten.

Fachtierär­zte für Zahnheilku­nde haben dagegen studiert und seien staatlich anerkannt, erklärt Kai Kreling. Deshalb dürfen sie die Pferde bei der Behandlung auch betäuben. Pferdedent­isten müssen hingegen mit einem Tierarzt kooperiere­n, da sie selbst keine Spritzen setzen dürfen.

„Das heutige Heu ist für die Pferde eigentlich zu weich“Tierärztin Nina Röding

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FOTO: DPA Die Tierärztin und Pferdezahn­ärztin Nicole Herde-Jäckel behandelt das Pferd Guinness in Hohenwalde bei Frankfurt (Brandenbur­g).

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