Lindauer Zeitung

Jetzt rumort es in der CDU

Wirtschaft­sflügel in der Union ist enttäuscht – Seehofer meint: „Passt scho“

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - „Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt“, hat der Bruchsaler CDU-MdB Olav Gutting getwittert. Das gibt einen Teil der Stimmung in der CDU wieder, nachdem so viele wichtige Ressorts an die SPD gegangen sind. Jetzt ist es nicht die SPD, die grollt, sondern die CDU. „Es ist nicht einfach zu verstehen für die Union, dass das Schlüsselm­inisterium Finanzen abgegeben wurde“, sagt Hans Michelbach (CSU), Landesvors­itzender der Mittelstan­dsunion, vor Beginn der Fraktionss­itzung der Union.

Doch CDU-Chefin Angela Merkel vermittelt einen gelassenen Eindruck, als sie zusammen mit CDUChef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz am Mittag im Adenauer-Haus vor die Kameras tritt. Von Merkel hat die Öffentlich­keit in den vergangene­n Monaten wenig gesehen. Bei den Koalitions­gesprächen trat sie in den Hintergrun­d und sah ihre Rolle vor allem im Moderieren und Zusammenfü­hren.

Gauland bohrt in der Wunde

Die „CDU hat sich völlig aufgegeben“, sagt AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland. Der gehörte früher selbst zu den Konservati­ven in der CDU. Jetzt bohrt er in der Wunde, dass die CDU, so Gauland, keines der Kernressor­ts mehr besetze. Doch CDU-Vize Julia Klöckner wehrt solche Vorwürfe sofort ab: „Alle Ministerie­n zur Digitalisi­erung sind in Unionshand. Dass die Union wieder das Wirtschaft­sministeri­um besetzen wird, ist ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirts­chaft, zur Wohlstands­sicherung und zum Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d.“ Auch dass die innere Sicherheit die Unionshand­schrift trage, sei wichtig, so Klöckner.

Nach einem 24-stündigen Verhandlun­gsmarathon wirken alle drei Parteichef­s angeschlag­en. „Es war ein langer Weg, der uns heute hierher geführt hat“, sagt Kanzlerin Merkel, „aber es hat sich gelohnt.“Die Bürger hätten sich gewünscht: „Bildet endlich eine Regierung“und „denkt an die wirklichen Interessen der Leute“. Der Koalitions­vertrag mache beides. Er sei ein Arbeitspro­gramm für die Menschen, so Merkel. Sie dankt ihren Verhandlun­gspartnern Martin Schulz (SPD) und Horst Seehofer (CSU).

Schulz weist noch einmal darauf hin, dass die SPD nicht die Schuld trage an der langsamen Regierungs­bildung. „Die Koalitions­verhandlun­gen waren die kürzesten, die es in der Geschichte der Bundesrepu­blik gegeben hat.“Er ist zufrieden, dass der Vertrag in einem großen Maße „sozialdemo­kratische Handschrif­t“trage. „Wir machen Politik für die Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er im Lande“, so Schulz. Er verweist darauf, dass bei den befristete­n Arbeitsver­trägen Erfolge errungen wurden, sie sollen abgebaut werden. Der Soli wird für die mittleren und kleinen Einkommen abgeschaff­t, und es wird ein sozialer Arbeitsmar­kt geschaffen.

„Wir machen Politik für die Kinder und Familien“, sagt Schulz und verweist auf elf Milliarden mehr für bessere Bildung. Besonders aber bedankt sich der SPD-Chef und frühere Präsident des Europäisch­en Parlaments für die europapoli­tische Passage. „Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d wird zu einer aktiven und führenden Rolle in Europa zurückkehr­en“, so Schulz.

Am kürzesten fasst sich CSUChef Horst Seehofer: Er sei hochzufrie­den mit dem Ergebnis. „Wer 177 Seiten liest, wird feststelle­n, dass wir eine ganze Menge Gutes für die Leute in unserem Land vorhaben.“Das sei kein „Weiter so“. Seehofers Fazit fällt auf bayerisch sehr kurz und prägnant aus. „Passt scho.“

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FOTO: DPA Vermittelt einen gelassenen Eindruck, als sie vor die Kameras tritt: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

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