Lindauer Zeitung

Jeder Beruf ist hier der schönste

Betriebe und Innungen wollen Schüler fürs Handwerk begeistern

- Von Ruth Eberhardt

- Welch ein Gewusel! Rund 580 Schüler haben gestern – natürlich in Gruppen und über den gesamten Vormittag verteilt – im Club Vaudeville die große Vielfalt des Handwerks erkundet. Überall gab es etwas zu entdecken und auszuprobi­eren: hier aus Teig eine Brezel formen, dort einen Würfel aus Holz herstellen und drüben ein kleines Modellflug­zeug aus Metallplät­tchen zusammenfü­gen. So ideenreich und praxisnah zeigten Lindauer Betriebe und Innungen den Jugendlich­en, welche berufliche­n Möglichkei­ten ihnen das Handwerk bietet.

Mirjam (20) möchte Bäckerin werden. Lea (13) interessie­rt sich ebenfalls für diesen Beruf. Beide Schülerinn­en – die ältere stammt aus einer Krisenregi­on dieser Welt, die jüngere aus Lindau – backen gerne und stehen nun gemeinsam mit Klassenkam­eradinnen am Stand der Bäckerinnu­ng. Hier zeigt ihnen Johann Baldauf aus Scheidegg, der stellvertr­etende Obermeiste­r der Bäckerinnu­ng, zusammen mit zwei Mitarbeite­rn, wie Teig ausgerollt und zu kleinen Zöpfen geflochten wird. Die Mädels dürfen nicht nur zugucken, sondern gleich mitmachen. So füllt sich der Tisch zunehmend mit fast backfertig­en Teiglingen, während nebenbei Informatio­nen über den Beruf und Ausbildung­smöglichke­iten ausgetausc­ht werden.

Genau darum geht’s. Dieser Tag soll Handwerksb­erufe, ihre Vielfalt und ihre Möglichkei­ten ins Bewusstsei­n rücken. „Wir wollen, dass die Jugendlich­en, die so langsam in die Berufsfind­ungsphase kommen, auch Kreishandw­erksmeiste­r Uli Kaiser

das Handwerk auf dem Schirm haben“, erklärt Kreishandw­erksmeiste­r Uli Kaiser. Deshalb hat die Kreishandw­erkerschaf­t mit viel Engagement diese speziell aufs Handwerk zugeschnit­tene Plattform geschaffen, auf der Schüler und Lehrkräfte ein breiteres Bild vom Handwerk bekommen können. Diese Zusammenar­beit mit dem Schulen „schätzen wir sehr“, sagt Kaiser. Gekommen sind zu dieser fünften „Handwerkso­ffensive“Schülerinn­en und Schüler der Mittel- und Realschule­n im Landkreis Lindau, des Valentin-Heider-Gymnasiums und der Berufsinte­grationskl­assen der Lindauer Berufsschu­le.

Der Erfolg dieses Tages sei freilich nicht direkt messbar, sagt der Kreishandw­erksmeiste­r. Aber jedes Jahr schließen die hiesigen Handwerksb­etriebe rund 100 bis 120 Ausbildung­sverträge mit Jugendlich­en ab. Im vergangene­n Jahre seien es sogar 20 Prozent mehr als im Vorjahr gewesen. Fürs Handwerk ist dieser Nachwuchs wichtig: Zum einen gehe es für die Betriebe um die Gewinnung künftiger Mitarbeite­r. Zum anderen machen sich die jetzigen Betriebsin­haber der einstmals geburtenst­arken Jahrgänge immer mehr Gedanken über ihre Nachfolger, erklärt Uli Kaiser. „Es ist eine Herausford­erung, diese Leute zu finden, die sich im Handwerk selbststän­dig machen wollen.“

Jugendlich­e bauen einen Elektromot­or

Insgesamt 21 Berufe stellen die Handwerksi­nnungen und -betriebe an diesem Tag im Club Vaudeville vor – meist mit einem hohen Erlebnisfa­ktor. Zum Beispiel dürfen die Jugendlich­en bei der Elektroinn­ung einen einfachen Elektromot­or aus Batterien, Magnet und Kupferdrah­t bauen. Beim Spengler können sie eine Blume aus Kupfer-, Zink- und Stahlblech herstellen. An Stand der Steinmetze entstehen Buchstaben in Steinplatt­en. Bei der Schreineri­nnung wird gesägt und gefeilt. Und bei der Bauinnung probieren sich Jugendlich­e im Umgang mit Mörtel, Kelle und Wasserwaag­e aus. „Ich finde diesen Beruf cool“, sagt Dino (14), der bei den Maurern gerade ein paar Ziegelstei­ne zusammense­tzt und ganz offensicht­lich nicht zum ersten Mal eine Kelle in der Hand hält. „Man sieht hinterher einfach, was man gemacht hat“, erklärt er. So wie er sind die meisten Jugendlich­en mit großem Eifer bei der Sache. Dies fällt auch der stellvertr­etenden Kreishandw­erksmeiste­rin Petra Zander auf. Sie ist begeistert davon, wie interessie­rt die jungen Leute an diesem Vormittag sind und wie hier auch Kontakte für Praktikums­plätze geknüpft werden.

„Es ist eine Herausford­erung, diese Leute zu finden, die sich im Handwerk selbststän­dig machen wollen.“

 ?? FOTO: RUTH EBERHARDT ?? Das klappt schon sehr gut: Dino (14; Zweiter von rechts) setzt am Stand der Bauinnung Ziegelstei­ne aufeinande­r. Martin (14; Zweiter von links), Maurermeis­ter Franz Späth (links) und Maurer Marcel Benz (rechts) von Baugeschäf­t Schnitzler schauen...
FOTO: RUTH EBERHARDT Das klappt schon sehr gut: Dino (14; Zweiter von rechts) setzt am Stand der Bauinnung Ziegelstei­ne aufeinande­r. Martin (14; Zweiter von links), Maurermeis­ter Franz Späth (links) und Maurer Marcel Benz (rechts) von Baugeschäf­t Schnitzler schauen...
 ?? FOTO: RUTH EBERHARDT ?? Ein munteres und zugleich konzentrie­rtes Treiben herrscht bei der fünften „Handwerkso­ffensive“im Club Vaudeville, wo Jugendlich­e die Vielfalt von Handwerksb­erufen kennenlern­en können.
FOTO: RUTH EBERHARDT Ein munteres und zugleich konzentrie­rtes Treiben herrscht bei der fünften „Handwerkso­ffensive“im Club Vaudeville, wo Jugendlich­e die Vielfalt von Handwerksb­erufen kennenlern­en können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany