Berufung kommt Freizeitkapitän teuer zu stehen
Rheinländer beschädigt mit Bootsanhänger Zapfanlage an Kressbronner Tankstelle und fährt davon
KRESSBRONN/RAVENSBURG - Das haben sich ein mittlerweile pensionierter Unternehmer aus dem Rheinland und sein Verteidiger anders vorgestellt. Weil sie mit einer Verurteilung des Amtsgerichts Tettnang wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort vor mehr als zwei Jahren nicht einverstanden waren, sind sie in Berufung gegangen – und am Dienstag vor dem Landgericht Ravensburg erneut abgeblitzt.
Überführt wurden sie nicht nur vom Gericht, sondern vor allem von einer Überwachungskamera. Es war im Oktober 2015, als der heute 70Jährige mit seinem Mercedes samt angekoppeltem Bootsanhänger und Schiff auf das Tankstellengelände in Kressbronn einbog, nach dem Passieren einer Zapfanlage die Kurve zu eng nahm und an der Säule einen Schaden in Höhe von etwa 1000 Euro verursachte – zu dem sich der Fahrer in der Folge nicht bekannte. Die Zapfanlage, die mehrere Tage außer Betrieb genommen werden musste, sei beschädigt worden. Ja, aber nicht von ihm, ließ der 70-Jährige seinen Verteidiger sagen. Im Glauben, es könne ihm nichts nachgewiesen werden, ging der Lenker in Berufung. Offenbar sicher, vor dem Landgericht recht zu bekommen. Was gründlich danebenging und teuer wurde.
Der Richter ließ im Gerichtssaal eine Videoüberwachung ablaufen, auf der für ihn – anders als für den Verteidiger und seinen Mandanten – „sonnenklar“zu erkennen war, dass der heute 70-Jährige damals der Schadensverursacher war. Auf dem Film war auch eine Frau zu sehen, die nach dem Kontakt den Fahrer mit seinem Fahrzeug zurück und weg von der Zapfanlage winkte. Auf die Frage des Richters, ob die Dame seine Lebensgefährtin sei, gab der 70Jährige an, keine zu haben. Zurück blieb im Saal allerdings der Eindruck, die Identität der Frau sollte im Dunkeln bleiben, damit sie nicht als Zeugin vor Gericht aussagen musste.
„Nehmen Sie die Berufung zurück, man muss nur die Augen aufmachen, dann sieht man’s.“Dem Videobeweis, von dem Richter Schall überzeugt wurde, konnten weder Verteidiger noch Mandant folgen. „Ich kann nichts zurücknehmen, ich seh‘ nix“, entgegnete der Anwalt, dem das Gericht daraufhin eine fünfminütige Pause gönnte, um sich vielleicht doch noch anders zu positionieren. Doch die Pause änderte nichts an der Aufrechterhaltung der Berufung. Das Gericht könne „gerne über eine Einstellung des Verfahrens nachdenken“, eine Rücknahme komme aber nicht infrage, zeigte sich der Verteidiger uneinsichtig.
Mehr akustisch daraufhin die Frage des Staatsanwalts: „Warum einstellen?“Der Verteidiger blieb bei seiner Meinung, dass sich der Anklagevorwurf in der Berufungsverhandlung nicht bestätigt habe und deshalb das Urteil des Amtsgerichts Tettnang nichtig sei. Es sei zwar etwas passiert, aber nichts entdeckt worden, was als Verursacher auf seinen Mandanten schließen lasse, argumentierte er, und: Es gebe keine Person, die etwas gesehen habe. Für eine Verurteilung müsse feststehen, „dass der Täter hier sitzt“. Und das sei nicht der Fall. Wenn der Täter aber nicht benannt werden könne, müsse sein Mandant in „dubio pro reo“freigesprochen werden.
Ganz anderer Meinung war der Staatsanwalt. Der Sachverhalt aus dem erstinstanzlichen Urteil habe sich bestätigt. Der 70-Jährige sei der Unfallverursacher. Das sah auch die Kammer so und verurteilte den Freizeitkapitän zu 30 Tagessätzen á 100 Euro und der Übernahme der Prozesskosten, verbunden mit der Empfehlung künftig den Rückspiegel zu nutzen. Erst recht, wenn er mit einem Zugfahrzeug wieder einmal auf ein Tankstellengelände fährt.
„Man muss nur die Augen aufmachen, dann sieht man’s.“Richter Schall