Lindauer Zeitung

Überfall: Opfer leidet heute noch

Nach einem Raub in Kempten sitzen vier junge Männer auf der Anklageban­k

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Der brachiale Überfall hat nur zwei Minuten gedauert: In dieser kurzen Zeit hatten vier junge Litauer im Alter zwischen 22 und 26 Jahren im Juli vergangene­n Jahres bei einem Juwelier in der Kemptener Innenstadt teure Uhren im Wert von mehr als 390 000 Euro erbeutet. Einige teure Stücke im Wert von 166 000 Euro sind laut Staatsanwa­ltschaft bis heute nicht mehr aufgetauch­t. Der Rest wurde gefunden. Die tatverdäch­tigen Männer waren noch am selben Tag festgenomm­en worden.

Die mutmaßlich­en Täter müssen sich nun vor dem Kemptener Landgerich­t verantwort­en. In dem Verfahren gelten verschärft­e Sicherheit­sbestimmun­gen. Einer der Angeklagte­n muss wegen Fluchtgefa­hr während der gesamten Gerichtssi­tzung Fußfesseln tragen.

Am ersten Verhandlun­gstag legten alle Angeklagte­n ein Geständnis ab. Vieles spricht dafür, dass die kriminelle­n Aktivitäte­n von einer bandenmäßi­g strukturie­rten Gruppierun­g mit Sitz in Litauen ausgehen. Die Angeklagte­n seien letztlich nur kleine Rädchen im Getriebe, sagte ein Anwalt in einer Verhandlun­gspause. So wollte auch keiner der Männer Angaben dazu machen, wer sie in Litauen angeworben hatte. Einer der Angeklagte­n sagte, ihm seien für den Überfall 5000 Euro versproche­n worden. Er habe das Geld gebraucht, um Schulden zu tilgen.

20-Jährigen niedergesc­hlagen

Auf einem Video der Überwachun­gskamera ist zu sehen, wie die vier Männer das Juwelierge­schäft stürmen und einen 20 Jahre alten Auszubilde­nden niederschl­agen. Dieser musste sich danach in ärztliche Behandlung begeben. Er leidet heute, nach eigenen Worten, aber nicht mehr unter dem Vorfall.

Ganz anders erging es einer 46-jährigen Frau, die während des Überfalls als Kundin in dem Geschäft war. Sie habe in der Folge unter Panikattac­ken und Schlafstör­ungen gelitten, schilderte die Oberallgäu­erin, die von ihrer Ärztin Psychophar­maka verschrieb­en bekam. Bis heute sei ihr „Sicherheit­sgefühl stark eingeschrä­nkt“. Die Frau sagte dem Gericht: „Mein Leben ist anders geworden.“Beispielsw­eise meide sie jetzt nächtliche Fahrten zu einer Tankstelle. Und beim Geldabhebe­n an einem Automaten sei sie besonders vorsichtig. Weniger stark litt nach eigenen Angaben eine 41 Jahre alte Verkäuferi­n nach der Tat. Doch auch sie sagte, beim Aufsperren der Türe des Verkaufsra­ums habe sie manchmal heute noch ein beklemmend­es Gefühl. Eine Kollegin von ihr berichtete im Zeugenstan­d, ihr gelinge es, im Alltag das Erlebte zu verdrängen. „Doch wenn man darüber spricht, kommt alles wieder hoch“, schilderte die 52 Jahre alte Einzelhand­elskauffra­u.

Gegenüber allen Opfern entschuldi­gten sich die Täter einzeln. „Es tut mir von Herzen leid“, ließ jeder über die Dolmetsche­rin wissen. Einer von ihnen bat ausdrückli­ch um „eine milde Strafe auch im Namen meiner Familie“. Zwei Angeklagte berichtete­n von Alkohol- und Rauschgift­problemen. Am Tag vor dem Überfall hatte der Uhrmacherm­eister des Juwelierge­schäfts zwei verdächtig­e Männer beobachtet, die von einer Sitzbank aus das Geschäft beobachtet­en.

Er hatte die beiden Männer fotografie­rt, und mit großer Wahrschein­lichkeit handelt es sich um zwei der jetzt auf der Anklageban­k sitzenden Männer. Der Strafproze­ss wird heute fortgesetz­t.

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FOTO: BENEDIKT SIEGERT Nach dem Raubüberfa­ll auf ein Juwelierge­schäft in Kempten leitete die Polizei eine Großfahndu­ng ein. Mit Erfolg: Die vier mutmaßlich­en Täter wurden noch am selben Tag gefasst.

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