„Für die Union hat der Erhalt der Zwei-Klassen-Medizin eine sehr große Bedeutung“
BERLIN - Die Große Koalition möchte Ärzte in ländlichen Gebieten mit einer Sofortmaßnahme unterstützen. Auch sollen Patienten durch die Terminservicestellen der Krankenversicherungen schneller in der Sprechstunde sitzen können – dennoch werde die SPD im Gesundheitsbereich „erneut streiten müssen“, sagt SPDGesundheitsexperte Karl Lauterbach im Gespräch mit Andreas Herholz.
Herr Lauterbach, die Gesundheitspolitik gehörte zu den umstrittensten Themen der Koalitionsverhandlungen. Die Bürgerversicherung wird nicht kommen. Hat die SPD zu viel versprochen?
Wir konnten bei dem Wahlergebnis und dem Koalitionspartner natürlich nichts versprechen sondern nur dafür hart kämpfen. Das haben wir getan. Aber für die Union hat der Erhalt der ZweiKlassen-Medizin eine sehr große Bedeutung.
Sie beklagen eine „ZweiKlassen-Medizin“in Deutschland. Was wird eine schwarz-rote Bundesregierung dagegen tun?
Bei den Neumitgliedern wissen wir, dass gut verdienende Angestellte die private Krankenversicherung mittlerweile fast komplett meiden, weil das Risiko, dass man nicht rauskommt, zu hoch ist. Daher wechseln fast nur noch Beamte und kleine Selbstständige. Bei den Selbstständigen haben wir in der gesetzlichen Krankenversicherung den Mindestbeitrag halbiert. Daher wird die private Krankenversicherung immer mehr zur Beamtenversicherung. Wie lange der Steuerzahler das mitbezahlen will, werden wir sehen.
Werden Kassenpatienten am Ende der Legislaturperiode die gleiche medizinische Versorgung haben wie Privatversicherte?
Wir haben eine Kommission geplant, die eine gemeinsame Gebührenordnung vorbereiten soll. Als Sofortmaßnahmen wird es Zuschläge für sprechende Medizin der Hausärzte und für alle Ärzte in ländlichen und strukturschwachen Gebieten geben. Das sind Gebiete, in denen es wenige privat Versicherte gibt. Auch wird man schneller einen Arzttermin bekommen, weil die Terminservicestellen der Krankenversicherungen unter einer Bundesrufnummer von 8 bis 18 Uhr erreichbar sein müssen.
Union und SPD wollen jetzt eine Gesundheitskommission einsetzen. Werden die Probleme wieder einmal vertagt?
Die Vorbereitung einer gemeinsamen Honorarordnung ist nicht aus dem Ärmel zu schütteln. Daher ist die Kommission notwendig. Aber die Ergebnisse müssen auch umgesetzt werden. Dafür werden wir erneut streiten müssen.
Im Pflegebereich gibt es gewaltige Probleme und Engpässe. Reichen da 8000 zusätzliche Kräfte aus?
Natürlich nicht! Das ist ja nur ein Einstieg. Wenn die Löhne nicht steigen, können wir aber nicht einmal die 8000 Stellen besetzen. Daher ist in der Altenpflege die bessere Umsetzung der Tarife die wichtigste Maßnahme und in der Krankenpflege die Herausnahme der Pflege aus den diagnosebezogenen Fallgruppen.