Lindauer Zeitung

Kühl abserviert

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) verliert sein Amt an Noch-Parteichef Martin Schulz

- Von Michael Fischer und Georg Ismar

BERLIN (dpa) - Sigmar Gabriel hat bis zuletzt gehofft, dass sein Wunsch doch noch in Erfüllung geht. „In solchen internatio­nal verwirrend­en Zeiten seinem Land als Außenminis­ter dienen zu können, ist natürlich ungeheuer spannend und auch eine sehr große Ehre“, sagte er vor wenigen Tagen auf dem Rückflug von Tel Aviv nach Berlin einem „Spiegel“-Reporter. Gut möglich, dass es seine letzte Reise als Außenminis­ter war.

Seit Mittwochab­end ist es offiziell, dass Gabriel sein von ihm geschätzte­s Amt abgeben muss. Er wäre damit der Verlierer der längsten Regierungs­bildung in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Einer der beliebtest­en Politiker Deutschlan­ds würde damit in die politische Bedeutungs­losigkeit abstürzen.

Nach acht Jahren als Bundesmini­ster, davon vier als Vizekanzle­r und sieben Jahren als SPD-Chef wurde er von seinem Nachfolger Martin Schulz so kühl abserviert, wie es nur geht: „Sigmar Gabriel hat eine sehr gute Arbeit als Außenminis­ter geleistet, aber ich habe mich entschiede­n, in die Bundesregi­erung einzutrete­n und zwar als Außenminis­ter.“

Damit vollendete Schulz ein Zerwürfnis zwischen zwei Politikern, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch Freunde nannten. Vor einem Jahr nahm dieses Zerwürfnis seinen Lauf. Im Januar 2017 entschied sich der damalige Parteichef Gabriel zugunsten von Schulz auf den Parteivors­itz und die Kanzlerkan­didatur zu verzichten.

Wäre Gabriel damals in den Bundestags­wahlkampf gegen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gezogen, wäre seine politische Karriere bei einer Niederlage zerstört gewesen. Im Außenminis­terium erschien ihm die politische Überlebens­chance offenbar größer. Es heißt, Schulz habe ihm damals sogar versproche­n, bei einer GroKo-Neuauflage das Außenminis­terium behalten zu können. Ob es dieses Verspreche­n gab, ist unklar. Am Donnerstag­abend macht Gabriel jedenfalls Andeutunge­n und der Parteiführ­ung schwere Vorwürfe: „Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinande­r geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“, sagt Gabriel der Funke-Mediengrup­pe.

Dabei hat Gabriel als Außenminis­ter das erreicht, was ihm als Parteichef nie gelungen ist: Er ist in den Ranglisten der beliebtest­en deutschen Politikern ganz oben gelandet. Und er hat sich trotz seiner undiplomat­ischen Außenpolit­ik selbst bei den Diplomaten im Auswärtige­n Amt allerhöchs­ten Respekt erarbeitet. Nur das Zusammensp­iel mit Schulz im Wahlkampf, das hat nicht funktionie­rt. Gabriel stahl ihm mit immer neuen Ideen die Show.

Gabriel sagt alles ab

Nach seiner Quasi-Entlassung durch Schulz sagte Gabriel am Donnerstag sofort alle Termine in seiner Funktion als Außenminis­ter ab und zog sich in sein Haus in Goslar zurück. Bei einer Konferenz zum Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) und einem EU-Treffen ist er nächste Woche ebenso wenig dabei wie bei der Münchner Sicherheit­skonferenz.

Das neue Machtzentr­um bilden die designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles und der als Vizekanzle­r und Finanzmini­ster vorgesehen­e Olaf Scholz. Sie rieben sich beide an Gabriel – das spielt für das Verständni­s der innerparte­ilichen Machtarith­metik eine wichtige Rolle. Gabriel sind alle Türen verbaut. Ein Weitermach­en Gabriels als Außenminis­ter sei in den Verhandlun­gen kein Thema gewesen, wird beteuert. Denn es sei klar gewesen, dass Schulz seinen Trostpreis, das Außenminis­terium, bekommen sollte. Der Goslarer wird nach einem Ausscheide­n aus seinem Amt zunächst ganz normaler Abgeordnet­er sein – ohne Führungsfu­nktion. Einen Nebenjob hat er schon: Einen Lehrauftra­g an der Uni Bonn.

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FOTO: DPA Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert­e die Parteiführ­ung scharf.

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