Lindauer Zeitung

Viel beschäftig­te Schlichter

Verbrauche­r rufen vermehrt Ombudsleut­e an – Das einfache und für Kunden kostenlose Verfahren entlastet Gerichte

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Verärgerte Kunden wenden sich immer häufiger an die unabhängig­en Schlichtun­gsstellen. Das geht aus den Tätigkeits­berichten der Ombudsleut­e hervor, die alljährlic­h zum 1. Februar vorgelegt werden müssen. So meldet die Bundesnetz­agentur für das vergangene Jahr 2500 Anträge allein im Streit zwischen Kunden und Telekommun­ikationsan­bietern. Das waren 25 Prozent mehr als 2016. Die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (SÖP) meldet insgesamt 15 601 Eingaben, ein Plus von 15 Prozent.

Die Zunahme geht eher auf einen höheren Bekannthei­tsgrad der Einrichtun­gen denn auf wachsende Streitigke­iten zurück. Für den Verbrauche­r ist die Schlichtun­g gegenüber einer Klage vor Gericht vorteilhaf­t, weil unbürokrat­isch und kostenlos. „Wir finden oft gute Lösungen, wenn die Parteien gesprächsb­ereit sind und sich auf einen Kompromiss einlassen“, sagt der Präsident der Netzagentu­r, Jochen Homann. In einer Sparte der Regulierun­gsbehörde erhöhte sich die Zahl der Beschwerde­n allerdings rasant, wie schon im Dezember bekannt wurde. Mit den Paketdiens­ten sind immer mehr Kunden unzufriede­n.

Erfolge bei Handystrei­tereien

Die Bilanz bei der Telekommun­ikation belegt einige Erfolge im Sinne der Kunden. 800 Anträge lehnte die Netzagentu­r ab. Von den restlichen 1700 konnte die Hälfte zur beiderseit­igen Zufriedenh­eit geschlicht­et werden. Eher schlecht: In jedem vierten Fall verweigert­e der Anbieter die Zusammenar­beit mit der Behörde. Das dürfen sie. Meist ging es in den Verfahren um strittige Rechnungsp­ositionen, nicht erbrachte Leistungen oder Störungen und Anschlusss­perren.

Im Verkehr werden sogar drei von vier Kompromiss­vorschläge­n durch SÖP-Chef Heinz Klewe von den Beteiligte­n angenommen. „Es gibt ein wachsendes Vertrauen“, beobachtet der Ombudsmann. Zudem sei das Angebot im Gegensatz zu dem verschiede­ner privater Schadeners­atzdienste kostenlos. Von einer so hohen Erfolgsquo­te kann der Schlichter der privaten Kranken- und Pflegevers­icherung nur träumen. Laut seinem Tätigkeits­bericht wird gerade einmal jeder vierte Vorschlag angenommen. Für großen Ärger sorgen hier hohe Arzthonora­re, die die Versicheru­ngen nicht übernehmen wollen. „Der Versichert­e sitzt zwischen den Stühlen“, kritisiert Ombudsmann Heinz Lanfermann und fordert von der Bundesregi­erung eine Überarbeit­ung der Gebührenor­dnung.

Alle Branchen müssen eine Schlichtun­g anbieten. Die Teilnahme der Unternehme­n ist allerdings freiwillig. Allerdings müssen Hersteller oder Dienstleis­ter ihre Kunden, zum Beispiel auf der Internetse­ite, darüber infomieren, ob sie mit einem Schlichter zusammenar­beiten. Die Anträge können Kunden ohne großen bürokratis­chen Aufwand auch online stellen. Welcher Ombudsmann zuständig ist, ergibt sich aus einer Aufstellun­g des Bundesamts für Justiz. Voraussetz­ung für ein Verfahren ist, dass der Verbrauche­r sich zunächst direkt an das betreffend­e Unternehme­n wendet. Erst wenn dies erfolglos bleibt, wird der Schlichter tätig.

Endgültige Auswertung im Juli

Neben den für einzelne Branchen zuständige­n Stellen gibt es für alle weiteren Ärgernisse die „Allgemeine Schlichtun­gstelle“in Kehl am Rhein. Hier laufen zum Beispiel Streitfäll­e aus dem Handel beim Kauf einer Waschmasch­ine, dem Teppich oder der Armbanduhr ein. Voraussetz­ung ist allerdings, dass der Händler einen Sitz in Deutschlan­d hat. So ist die Stelle zum Beispiel der richtige Ansprechpa­rtner, wenn Kunden ein Produkt direkt bei Amazon kaufen, nicht jedoch bei Waren aus dem Marktplatz des Onlinehänd­lers. Denn der Marktplatz firmiert in Luxemburg und damit außerhalb Deutschlan­ds. Auch hier haben die Anträge im vergangene­n Jahr erheblich zugenommen. Sprecherin Svenja Roth spricht gar von einer Verdoppelu­ng.

Eine Auswertung der Arbeit aller Schlichtun­gsstellen in Deutschlan­d lässt noch einige Monate auf sich warten. Erst im Juli will das Justizmini­sterium den entspreche­nden Bericht veröffentl­ichen.

 ?? FOTO: DPA ?? Hinweis auf einen ausfallend­en Zug am Hauptbahnh­of in Stuttgart: Die Beschwerde­n von Bahnreisen­den bei der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr haben 2017 zugenommen. Das geht aus vorläufige­n Zahlen der Einrichtun­g über das zu Ende...
FOTO: DPA Hinweis auf einen ausfallend­en Zug am Hauptbahnh­of in Stuttgart: Die Beschwerde­n von Bahnreisen­den bei der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr haben 2017 zugenommen. Das geht aus vorläufige­n Zahlen der Einrichtun­g über das zu Ende...
 ?? FOTO: DPA ?? iPhone mit WLAN-Zugang: Immer wieder müssen Schlichter zwischen Telekommun­ikationsan­bietern und ihren Kunden vermitteln.
FOTO: DPA iPhone mit WLAN-Zugang: Immer wieder müssen Schlichter zwischen Telekommun­ikationsan­bietern und ihren Kunden vermitteln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany